Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

Serbien. 
den es als eigene Kaste einnimmt. Der Offizier ist in Serbien 
nicht bloß Erzieher und Bildner des Soldaten, er nimmt viel- 
mehr und entgegen dem Brauch in den meisten Staaten auch 
am politischen Leben regsten Anteil. Nur dadurch konnte es 
geschehen, daß das Heer die Dynastie Obrenovic, der es seiner 
teilweisen Bestimmung und seinem Treueide nach Schutz und 
Schirm hätte sein sollen, stürzte. Durch diese ruchlose, in Ser- 
bien aber gefeierte Tat, trat das Offizierskorps gewichtig auf 
den Plan der politischen Kampfbühne. Von nun an hatte man 
mit ihm in allem und jedem zu rechnen. Es wurde zu einer 
gefürchteten Macht und gewann folglich großes Ansehen. Es 
fühlt sich auch ganz gehörig, dünkt sich der stärkste Träger 
der großserbischen Nationalidee und der Grundpfeiler des 
serbischen Reiches zu sein. An und für sich würde ihm dies, wie 
jedem anderen Offizierskorps zur Ehre gereichen, nur dürften 
die Gelegenheiten und Mittel, wobei und mit welchen es diese 
seine Überzeugung bekräftigt, nicht solche sein, wie sie in Ser- 
bien in Erscheinung treten. Doch ländlich, sittlich; in Serbien 
wird es anerkannt — oder es muß anerkannt werden, denn 
die Militärpartei läßt mit sich nicht spassen. Unter Militär- 
partei ist im besondern eine ganz bestimmte große Gruppe von 
Offizieren zu verstehen, welcher sich auch die anderen, die viel- 
leicht keine Lust an politischen Quertreibereien hätten, willig 
oder widerwillig anschließen müssen. Diese Militärpartei war 
es hauptsächlich, die den Krieg mit Österreich-Ungarn vorbereitet 
und geschürt hat. 
Begreiflicherweise spielte der serbische aktive Offizier im 
Lande, in welchem feit der jüngsten Vergangenheit die 
politischen Strömungen durchwegs alles beeinflußten, bei 
seinem politischen Vollwerte auch im gesellschaftlichen Leben 
eine große Rolle, die ihm sogar gerne eingeräumt wurde. 
Man kann ihm nicht die Berechtigung absprechen, daß 
er sie — serbische Verhältnisse im Auge behaltend — auch ver- 
diente. Er ist wenigstens nach außen hin stets korrekt; ist sein 
Kern auch roh, so ist sein Äußeres geschliffen, ist er ein Klotz, 
so ist er unbestritten ein gut behauener. Er hält etwas auf sich, 
und zeigt dies nicht zuletzt durch seine Erscheinung. Doch streb- 
sam, wissensdurstig und ehrgeizig, bemüht er sich auch seinen 
inneren Menschen zu 
bilden, und so darf 
man keinesfalls 
glauben, das ser- 
bische Offizierskorps 
stehe auf einer tiefen 
Stufe der Allge- 
meinbildung. Ge- 
wiß, für die Menge 
der Offiziere reicht 
sie. nicht hoch, und 
insbesondere bei je- 
nen nicht, die im 
Wege der Unterof- 
fiziersfchule aus dem 
Mannschaftsstande 
hervorgegangen sind. 
Das ist aber ein 
Drittel aller, was je- 
doch auf die Gleich- 
förmigkeit des Offi¬ 
zierskorps in allge- 
meiner Beziehung 
von keinem Einfluß 
Vojvobe Putnik, Führer der serbischen Armee. ist, noch irgendwo 
in einer gesell- 
schaftlichen 
Spaltung un- 
ter ihnen zu- 
tage tritt. 
Als Soldat 
ist der serbi- 
sche Offizier 
stramm und 
ausgesprochen 
militärisch. Der 
Unteroffizier ist 
darin seinSpie- 
gelbild. Übri- 
gens scheidet 
den Unteroffi- 
zier vom Offi' 
zier keine un¬ 
verrückbare 
Schranke, 
doch mehr oder 
weniger jeder 
Unteroffizier 
selbst einmal 
Offizier werden 
kann. 
Betrachtet 
man den ser- 
bischen Offizier 
— wozu auch 
entsprechend 
angepaßt der 
Reserveoffizier 
zählen kann — 
in der Beleuchtung, die dem ganzen Königreiche die Grundfarbe 
gibt, kurz gesagt, nicht im westeuropäischen Lichte, in dem manches 
Schatten wirft, was dort glänzt, so hat er viele gute Eigen- 
schasten. Diese, in militärische Werte umgesetzt, machen es, 
daß die serbische niedere und höhere Führung nicht zu der 
schlechtesten gehört. Im Kriege gegen Österreich-Ungarn er- 
hielt den tatsächlichen Oberbefehl über das serbische Heer, der 
„Berater" des nominellen Oberkommandanten, des Krön- 
prinzen Alexander, der 
Vojvode Putnik. Im Balkankriege, in dem er sich den 
Aufgaben eines Führers gewachsen gezeigt, erprobt, war er 
von Haus aus berufen, an die Spitze des Heeres zu treten, 
dessen Generalstabschef er im Frieden war. Als solcher dürfte 
er jedenfalls erkannt haben, daß das serbische Heer noch nicht 
jene Höhe erreicht hat, welche es erreichen müßte, um wagen 
zu dürfen, mit dem österreichisch-ungarischen einen Strauß aus- 
zufechten. Wobei selbstverständlich Mütterchen Beschützerin 
Rußland den Löwenanteil dieses schweren Beginnens auf sich 
nehmen müßte. Diese Zeit hat er, so scheint es, noch nicht für 
gekommen erachtet; die kühle Freundschaft mit dem mächtigen 
Donaureiche durfte daher nicht fallen gelassen, ihm nicht mit 
offenem Visier entgegengetreten werden. Putnik tat im 
Gegenteil bis zuletzt, als grünte an der Grenze beider Reiche 
die Palme des ewigen Friedens und suchte noch im 
Sommer 1914 an Österreich - Ungarns Heilbronnen in 
Gleichenberg Stärkung seiner Gesundheit. Dort überraschte 
ihn die Kriegserklärung, und er geriet in Gefangenschaft. 
Sie währte jedoch sozusagen nur Stunden. Österreich- 
Ungarns Heer ist zu ritterlich, als daß es den Gegner seines 
General Stefanovic, serbischer Kriegsminister.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.