Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Eroberung von Belgrad. 
Die Serben hatten sich bisher nicht gerührt, nicht gezeigt, 
gerade als ginge sie all das Artillerien und Minenwerferfeuer 
nicht im geringsten an; kaum näherten sich aber die vollbe- 
setzten Pontone der Großen Zigeunerinsel, zuckten dort Tann 
sende Stichflammen auf, pfiff es, sauste und summte es durch 
die Lust von der Unzahl. Kleingewehrgeschosse, mit welchen 
jetzt die serbische, dort im dichten Buschwerk auf der Lauer 
gelegene Infanterie die Herannahenden überschüttete. Dumpf 
dröhnte es auch plötzlich vom Banovo- und Toptidersko 
brdo herab: die serbische Artillerie war rege geworden. — 
Hurtig, Pioniere! nun ist es an euch; jeder Augenblick 
kostet Menschenleben. — Und die Wackeren spannten jede 
Muskel, jede Fiber, als ginge es ums Seelenheil; Ruder- 
schlag auf Ruderschlag traf die Save mit Titanenkraft. — 
Sieh jetzt dort, ein 
Ponton berührt schon 
fast das Ufer. Ein 
Schlag, Feuer, Wassern 
berg und --tal, Brechen, 
Bersten — und der 
Ponton ist verfchwnn- 
den; eine Mine hat ihn 
in Stücke gerissen. — 
Der Nächste. In der 
von jenem gezogenen 
Wasserfurche arbeitet er 
sich heran; die Ruder 
knarren in den Lagern 
unter zentnerdrückender 
Wucht der schwieligen 
Hände. Noch zwei, drei 
Meter, dann wird der 
Ufersand unter seinem 
Boden knirschen. Jetzt! 
ein furchtbarer Stoß, 
ein Zittern, Schaukeln, 
Pendeln, eine Feuer-- 
lohe, ein Krach, ein 
Knall, hohe Wogen — 
durchbohrt die Seiten-- 
wände und den Boden, 
versackt er und ver- 
schwindet; Tote, Ver-- 
stümmelte, Schwerverwundete treiben den Fluß hinab. — 
Der Dritte. Er ist schon am Ufer. Zwar berührt er es noch 
nicht, doch schon greifen zehn, zwanzig Hände nach der uralten 
Silberweide, die sich vom Ufersaum zu ihnen hernieder-- 
neigt, um an ihren schmiegsamen Ästen das Fahrzeug ganz 
ans Land zu ziehen. Noch Sekunden, und sie haben festen 
Boden unter dey Füßen. — Haha! lacht es da höhnisch- 
grimmig im knorrigen Kopf der Weide auf. Haha! schlägt 
noch einmal der Teufel dort, der Komitadschi, seine Lache 
auf, dann hebt er die Hand hoch, ein Schwung! und den 
Leuten im Ponton fällt etwas vor die Füße; ein zweites, 
ein drittes Etwas folgt mit Gedankenschnelle. Was ist's?!... 
Sie erfahren es niemals, denn es waren drei Handgranaten, 
die ihnen Antwort gaben. — Der Vierte. Er windet sich 
so gewandt und leicht, als wäre er kein dickbäuchig-schwer- 
fälliger Ponton, vielmehr ein schlankes, aalschnelles Renn-- 
boot, jetzt rechts, dann links durch die Fluten, um jeder Gefahr, 
die er irgendwo wähnt, zu entgehen. Und richtig, bis an 
20 Meter zum Ufer kommt er wunderlich heil heran. Die 
Leute darin können das Landen kaum noch erwarten; aufge- 
Geschichte deS Weltkrieges. II. 
peitscht durch Erregung erheben sich einige von den Bänken, 
vom Boden, auf dem sie gekauert. — „Niedersetzen!" schreit 
sie der Offizier an. Doch wer hört ihn im furchtbaren Getöse! 
— Ja, jetzt springen alle auf; so jäh, daß der Ponton fast 
kentert. „Niedersetzen! niedersetzen!" schreit, brüllt der Offizier 
wieder aus voller Lunge. Vergeblich; nicht einmal sein Nach- 
bar hört ihn, so entsetzlich tobt die Hölle ober der Save. Oder 
hörten sie ihn doch? Zwei, drei, ihrer immer mehr, ducken 
sich rasch zu Boden; nacheinander, dann einige zugleich, 
und selbst die Ruderer sinken in sich ein — dem Offizier erstickt 
das Wort in der Kehle: vom ersten bis zum letzten mähte 
sie ein Maschinengewehr aus nächster Nähe nieder. — Der 
Fünfte. Er landet. Fürwahr, er landet allen Schrecknissen 
zum Trotz! Anderen, wenn auch beileibe nicht allen, die es 
versuchen, glückt es dann ebenfalls. Und so schafft der unver- 
gleichliche Heldenmut der Pioniere nach und nach 6 Kompag- 
nien und drei Maschinengewehre hinüber. Mehr ist nicht 
möglich; die Pontone sind durchsiebt, ihre Fahrmänner zu 
einem Häuflein zusammengeschmolzen. 
Gott und sich selbst vertrauend, drangen die gelandeten 
Kompagnien in das dichte Ufergebüsch ein, rangen im Hand- 
gemenge den Serben Schritt für Schritt Boden ab und 
warfen sie dann mit schweren Schlägen aus der vordersten 
Linie ihrer Deckungen hinaus. Rasch zum Spaten greifend, 
wurden nun die eroberten Deckungen, soweit es die Nacht 
zuließ, zur eigenen Verteidigung hergerichtet. Gerade zurecht, 
damit es den Brandenburgern leichter fällt, den serbischen 
Gegenangriff abzuschlagen. Doch ihrer waren wenig, der 
Serben hingegen mehr als viel, und so mußten jene kurze Zeit 
nachher dennoch weichen. Sie wichen zurück und drangen 
wieder vor; und nochmals und nochmals, fünfmal ging so die 
Woge hin und her. Da blieben schließlich die Brandenburger 
obenauf; ja bis zum Morgen waren sie schon Herren eines 
ziemlich großen Teiles der Insel. Unerschütterlich fest hielten 
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