Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

340 Seekrieg 
auf einen Augenblick emportauchend, wird rasch mit dem Peri- 
skop Umschau gehalten. Nur der Kommandant am Guckapparat 
sieht etwas, wir anderen können nur aus seinen Befehlen 
wissen, was vorgeht. Auf einmal tauchen wir wieder auf, wir 
fangen an zu manövriren, es muß daher etwas los sein. Wir 
stecken immer nur so ein bißchen das Perioskopende aus dem 
Wasser und verschwinden dann wieder, aber wir hören jetzt 
deutlich das Geräusch eines fremden Motors — wir haben 
nämlich einen Horchapparat im Boot —und wissen, daß wir 
uns dem Feind nähern. Es erfolgt das Kommando: „To 
pedo fertig!" Die Griffe fliegen nur so, das ist alles 
geübt und eingelebt; bann das Kommando: „Torpedo los!" 
Eine Explosion ist zu hören, aber ob wir wirklich getroffen 
hatten, das wußten wir nicht gleich, denn wir müssen rasch 
fort. Nach drei Stunden kommen wir vorsichtig wieder zu der 
Stelle zurück, weil wir doch feststellen wollten, was uns ge- 
lungen ist. Wir tauchen auf, öffnen die Klappe, klettern aufs 
messerschmale Verdeck und sehen vor uns eine schwimmende 
Boje, an die sich Menschen klammern. Fünf Überlebende von 
der „Medusa", die anderen liegen mit dem Boot auf dem 
Meeresgrunde. Sie winken; wie wir näher kommen, sehen 
wir, daß ein Offizier unter ihnen war und ein Verwundeter. 
Der arme Kerl hatte das Bein zerbrochen, der Schenkel-- 
knochen stand frei hervor. Sie hatten den Mann mit einem 
Tuch an die Boje gebunden, denn rühren konnte er sich nicht. 
Wie ihn zu uns herüberkriegen? Das ist bei hohem See- 
gang nicht so einfach. Ja, wenn unser Boot einmal neun 
Meter und mehr getaucht ist, dann spürt man nichts mehr, 
aber oben schlingert, rollt und stampft es unerhört, die 
ältesten Seebären unter uns werden seekrank. Es ging 
daher schwer mit dem Verwundeten, zudem sahen wir am 
Himmel einen schwarzen Punkt auftauchen, ein italienischer 
Flieger wird gleich da sein und Bomben werfen, also fort. 
Wir sagten zu dem geborgenen Offizier: „Ja, da werden 
wir den Verwundeten leider da lassen müssen." —„Dann 
werfe ich mich ins Wasser!" ruft dieser und will's eben aus- 
führen, denn er will nicht gerettet werden, ohne den Käme- 
raden. Nun, wir haben es doch noch einmal versucht, und 
dann ist es gegangen. Wir zogen die fünf Italiener rasch 
auf unser nasses Verdeck und durch die Turmklappe, und 
machten dann rasch unter Wasser fort, denn das verdammte 
Flugzeug war gerade über uns! So tief konnten wir hier 
aber nicht tauchen, daß uns der Flieger aus einer gewissen 
Höhe nicht sehen könnte, und je tiefer wir sind, desto lang- 
famer fahren wir, und der Kerl telegraphiert und signa- 
lisiert natürlich den nächsten Torpedobooten. Nun, das 
war eine Fahrt? Die fünf Ehrengäste in dem engen Raum, 
der Verwundete fiebernd und stöhnend. Wir haben ihm 
alle unsere Flaschen Sinalco gegeben, Zehne hat er uns 
ausgetrunken. Der italienische Offizier war sehr betrübt; 
seit zehn Jahren war er schon bei der Unterseewaffe und hatte 
nicht geahnt, daß ein Unterseeboot durch ein anderes ver- 
senkt werden könnte. Der Unteroffizier und die Matrosen 
haben sich sehr gewundert, wie alles bei uns eingerichtet 
ist, ganz anders als auf ihrem größten Boot. — Auf den 
Krieg haben sie wacker geschimpft, sie sagten, die aufgewie- 
gelten Studenten seien schuld mit ihrem dummen Geschrei. 
Ganz nette Leute, die fünf, überhaupt, die einzelnen ita- 
lienischen Seeleute sind ja recht anständig. 
War das ein Empfang im Hafen! — So eine Freude. 
— Ja, die Silberne Tapferkeitsmedaille habe ich gekriegt 
und mein Herr Fregattenleutnant hat das Signum Laudis. 
Glück haben wir eben gehabt." 
1915/16. 
Am 17. und 18. Juni unternahmen mehrere unserer 
Kreuzer und Torpedobooteinheiten eine Streifung an der 
italienischen Küste von der Reichsgrenze bis Fan 0, wobei 
die Semaphorstationen an der T a g l i a m e n t 0 m ü n- 
d u n g und bei P e s a r 0 sowie die Eisenbahnbrücken bei 
R i m i n i, über den M e t a u r 0- und A r z i l a fl n ß durch 
Geschützfeuer beschädigt, endlich ein italienischer Dampfer 
versenkt wurde, dessen Bemannung geborgen werden konnte. 
Unsere Einheiten sind alle wohlbehalten eingerückt. 
Am 18. Juni wurde auch der Handelsdampfer „M a r i a 
G r a z i a" von einem österreichischen Torpedobootszerstörer 
versenkt, dessen Besatzung in S i l v i gelandet. 
Am iy. Juni wurden die Petroleum- und Naphthatanks, 
der Bahnhof und die Zementfabrik sowie die Hafenanlagen 
von M 0 n 0 p 0 l i durch ein k. n. k. Torpedofahrzeug mit Er- 
folg beschossen und die Bahnhöfe von Bari und Brindisi 
von unseren Seeflugzeugen durch Bombenwürfe beschädigt. 
Die in Italien bereits öffentlich gerügte Aktionslosigkeit 
der italienischen Seestreitkräfte scheint aber, außer strategischen 
Bedenken, noch andere Ursachen gehabt zu haben, und 
zwar vermutlich vor allem den Kohlenmangel, 
denn hinsichtlich der Deckung seines Kohlenbedarfes ist Italien 
fast zur Gänze auf Bezüge aus dem Ausland angewiesen. 
Es deckt mit einer Eigenproduktion von rund 550000 
Tonnen im Jahre, die in 35 kleinen Betrieben mit einer 
Gesamtbelegschaft von zvoo Arbeitern gefördert werden, 
nur ungefähr fünf bis sechs Prozent seines Bedarfes, der 
sich auf zehn bis elf Millionen Tonnen im Jahr beläuft und 
zum größten Teil von England befriedigt zu werden pflegt. 
Seit Kriegsbeginn hat sich nun die englische Kohlenprodnk- 
tion nm rund 40 Prozent vermindert, wogegen der Ver- 
brauch namentlich der Admiralität stark gestiegen ist. Die 
englische Regierung sah sich deshalb veranlaßt, die Ausfuhr 
von Kohle zu verbieten, und von diesem Ausfuhrverbot 
sollten nur für die verbündeten Länder Ausnahmen gemacht 
werden. Zählte nunmehr Italien auch zu den Alliierten 
Englands, so konnte es offenbar trotzdem auf keine aus- 
reichende Kohlenlieferungen von E a r d i ff und New- 
castle rechnen. England, das kürzlich selbst Kohle aus 
Nordamerika importierte, hatte seit Kriegsbeginn keine großen 
Überschüsse an Kohle, die zudem enorm im Preise gestiegen 
ist, für Exportzwecke zur Verfügung. Klagte man schon seit 
dem Herbste 1914 in Frankreich über die geringe Rück- 
ficht, die England auf den französischen Kohlenbedarf nimmt, 
so läßt sich ermessen, wie knapp die englischen Kohlenzu- 
fuhren nach Italien ausgefallen sein dürften. Die italieni- 
schen Eisenbahnverwaltungen sahen sich infolge der Kohlen- 
knappheit daher bald zur Einschränkung, namentlich des 
Schnellzugsverkehrs genötigt, wobei anzunehmen ist, daß 
auch der italienische Flottenbedarf kaum auf lange hinaus 
gedeckt gewesen sein dürfte. 
Unsere Flotte dagegen entwickelte eine zunehmende 
offensive Tätigkeit, die allgemein überraschte, und dem 
Gegner noch viele schwere Opfer abzuringen vermochte. 
Besonders erfreulich ist es dabei, wie in solchen Kämpfen 
die Persönlichkeit hervortritt. Der Befehlshaber eines 
Unterseebootes oder eines Flugzeuges ist auf sich selbst 
gestellt, und seine Charaktereigenschaften müssen es mit sich 
bringen, daß die Verantwortlichkeit den Siegeswillen nicht 
ersticke. Noch wichtiger als der Vorzug, den die Flotte durch 
den Besitz solcher Persönlichkeiten hat, ist die Erfahrung, 
daß sie nicht vereinzelt sind, und daß keiner von ihnen den 
Eindruck einer Ausnahme macht. Dieses Merkmal ist un¬
	        
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