Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

206 Der Krieg 
führt ein zum Teil fahrbarer Weg hinüber auf die Straße 
Villach—Oberdrauburg. Erst bei Pontafel mündet wieder 
eine Talstraße, jene durch das Kanaltal über Malborgeth, 
Tarvis nach Villach. Die nächste ist die von Udine nach Kar- 
freit, welche über Flitfch und den Predilpaß ebenfalls nach 
Tarvis führt. Weiter südlich am Jsonzo, wo die Höhenlagen 
rasch abnehmen, mehren sich dann die Kommunikationen 
mit der von einem dichten Straßennetze überzogenen vene- 
tianischen Ebene. 
An Eisenbahnen kommen für das Grenzgebiet unserseits 
hauptsächlich die Linien der Südbahn, die Wocheiner- und 
Vintschgaubahn in Betracht; in Italien die von West nach 
Ost führenden mehrfach durch Querbahnen verbundenen 
Linien Brescia—Verona—Vicenza—Treviso—Udine und 
Padua—Mestre—Cervignano. 
Südtirol springt wie eine riesige, von Gebirgen um-- 
gürtete Bastion ins italienische Gebiet vor, trennt Vene- 
tien und die Lombardei und bedroht eine gegen den Jsonzo 
Stellung nehmende Armee in Flanke und Rücken. Da- 
her haben auch die Italiener seit Jahren alle aus Tirol 
herausführenden Täler, Paßstraßen und Wege im wahren 
Sinn des Wortes zu verrammeln gesucht. In den letzten 
zwei Jahrzehnten entstand in den an Tirol grenzenden 
Gebieten ein Werk neben dem andern. Als Rückhalt für 
diese Befestigungen dient Verona, das auch einen Stütz- 
punkt für eine gegen Tirol operierende Feldarmee bietet und 
das Etschtal sperrt. Auch die schon aufgegebene alte Festung 
Peschiera an der Südspitze des Gardasees wurde während 
des Krieges wieder hergestellt und erweitert. Die Fortslinie 
von Verona erstreckt sich im Osten 8—n, im Norden n—17 
Kilometer weit um die Stadt herum und schließt im Nord- 
westen unmittelbar an die Etschtalsperre von Rivoli—Ceraino 
an. Die Südwestseite Veronas hat gleichfalls neue, weit 
vorgeschobene Forts erhalten. An der westlichen Tiroler 
Grenze wurden das Addatal und die Tonalestraße durch 
Batteriestellungen für Geschütze schwerster Art bei Bormio 
und Edolo und durch ein schwer armiertes Fort bei Ponte 
di Legno abgesperrt, ebenso die aus den Judikarien herab- 
kommende Straße entlang dem Lago d^Jdro; das Gardasee- 
Defite wurde durch Befestigung einer Insel (Trimelone) 
gesichert, von welcher beide Uferhänge zu bestreichen sind. 
Die wichtigste Einbruchlinie, das Etschtal, wurde am stärksten 
mit Sperren bedacht und daran reihte sich eine ganze Kette 
von Forts längs der Ostgrenze Tirols, namentlich in den 
Räumen von Arsiero, Asiago und Fonzaso, um das Vor- 
brechen auf den Straßen von Rovereto her und durch das 
Suganatal zu verhindern. Die besonders sorgfältige Deckung 
dieses Raumes ist auch daraus zu erklären, daß sich zwischen 
Feltre und Belluno ein großes Truppensammellager be- 
fand. In den 10 Rüstungsmonaten haben die Italiener 
hier überall auch zahlreiche feldmäßige Befestigungen für 
Infanterie und Artillerie hergestellt, zumal da ihnen die 
30,5 und 42 Zentimeter-Mörser und die 42 Zentimeter- 
Haubitzen gegründete Bedenken hinsichtlich ihrer permanenten 
Befestigungen erregen mochten, deren Decken nur gegen 
24 Zentimeter-Kaliber bombensicher und deren Geschütz- 
kuppeln nur gegen 15 Zentimeter-Kaliber granatsicher waren. 
Gegen Osten wurden die das Venetianische in der Rich¬ 
tung Nord-Süd durchziehenden Flüsse (Tagliamento, Livenza, 
Piave) als Rückhaltslinien vorbereitet, indem die Über- 
setzungspunkte der Bahnen und Straßen mit provisorischen 
Brückenköpfen versehen und im Gebiete der Oberläufe auch 
gegen flankierende Angriffe aus Tirol und Kärnten Befesti¬ 
gen Italien. 
gungen angelegt wurden. Die Flüsse bilden übrigens in 
der trockenen Jahreszeit kein Hindernis. 
Die Eventualität der eigenen Offensive und deren Vor- 
bereitung hat die italienische Heeresleitung in den Frideens- 
jähren stets im Auge behalten. Mit allen Mitteln ist sie 
bestrebt gewesen, nach den irgendwie das Grenzgebiet 
beherrschenden Punkten gute, auch für schwere Artillerie 
fahrbare Straßen anzulegen. Alle möglichen Vorwände 
mußten dafür herhalten. Bald galt es, eine abgelegene 
Gegend dem Verkehr zu öffnen, bald irgend einen Avssichts- 
punkt dem Fremtenbesuche und damit dem Automobil zu- 
gänglich zu machen. Aber immer war es in letzter Linie das 
Heeresbudget, das für die Kosten aufkam. 
Den Kriegsvorbereitungen der Italiener entsprechend, hat 
auch unsere Kriegsverwaltung seit einer Reihe von Jahren 
das österreichische Gebiet und namentlich Tirol durch zahl- 
reiche Befestigungen zu sichern gesucht, so daß die Grenze 
zwischen beiden Reichen eigentlich durch zwei befestigte Linien 
gebildet wurde, die jedoch zumeist hinter den Kämmen der 
Grenzgebirge verliefen, da sonst die Arbeiten unter den 
Augen des Nachbars hätten erfolgen müssen und zu unlieb- 
samen Zwischenfällen Anlaß gegeben hätten. Den Stütz- 
punkt für die Verteidigung Südtirols bildet das verschanzte 
Lager von Trient mit den vorgeschobenen Gebirgsbeftsti- 
gungen und Paßsperren von Riva und Nago am Gardasee, 
sowie Lardaro im Westen, Levico im Osten und Rocchetta 
im Norden. Die Übergänge über die Dolomiten sind durch 
die Befestigungen von Paneveggio und diejenigen von 
Moena, Pieve und Tre Sassi gesperrt. Im östlichen Tirol, 
an den Eingängen zum Pustertal, liegen die Gebirgsbeftsti- 
gungen von Plätzwiese, Landro und Sexten. Unsere per- 
manenten Anlagen wurden mit allen Mitteln modernster Be- 
festigungskunst ausgebaut und mit einer starken artilleristischen 
Ausrüstung versehen, die fast ausschließlich in drehbaren 
Panzertürmen oder unter Panzerkuppeln untergebracht war. 
Seit Beginn des Weltkrieges aber und seit die Haltung 
des Bundesbruders im Süden den Kampf mit ihm immer 
sicherer erwarten ließ, wurde die höchste Energie aufgewendet, 
um jene Stellungen, in welchen unsere, wenigstens für die 
erste Zeit im wesentlichen auf die Defensive angewiesenen 
Truppen den Angriff zu erwarten hatten, für die wirksame 
und nachhaltige Verteidigung herzurichten. In diesen 
wenigen Monaten wurde, trotz der Beschwerden der winter- 
lichen Jahreszeit in Südtirol eine fast ununterbrochene 
Linie feldmäßiger Befestigungen und gesicherter Unterkünfte 
gezogen, die aus tief eingebetteten Tälern steile Höhen er- 
kletterte, Schluchten und Gewässer kreuzte, sich an schroffe 
Felswände klammerte und in Steinkaminen Fuß faßte, 
wo sonst nur die Bergvögel horsteten. Tief ins Innere 
der Berge drang man ein, sprengte schräg absteigende, oft 
100 Meter lange Felstunnels, erweiterte diese am Ende zu 
Kammern, brach von diesen aus Lichtspalten und machte 
es so möglich, selbst an senkrecht abfallenden Felswänden 
vollständig gedeckt Geschütze postieren zu können. Auch die 
Jnfanteriestellungen wurden in vielen Fällen nicht an der 
Oberfläche der Berghänge eingesprengt, sondern ebenfalls 
als lange, mit Treppen versehene Schächte von innen her an- 
gelegt. So wurde fast jeder Berg ein Fort, dessen Mauern 
nicht künstlich aufgetürmte Betonquadern bildeten, sondern 
mächtiges Felsgestein, in das die vorgeschrittenste Kriegs- 
technik trotzige Kasematten einfügte. Eine ungeheure Arbeit 
ist hier geleistet worden. Zu ihrer Förderung wurde aus allen 
Teilen der Monarchie eine große Zahl von Landsturmarbeitern
	        
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