Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

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Olita. 
(Besetzung am 26. August 1915.) 
Die Festung Olita bildet einen Stützpunkt der Njemen- 
Verteidigung zwischen Kowno und Grodno, so daß sie von 
den Russen als Brückenkopf für die Aufnahme beim Rück- 
zug über den Njemen sowie als Basis für einen erneuten 
Angriff von dieser Front aus gedacht war. Der befestigte 
Platz wird von einer Gruppe von Forts gebildet, welche durch 
ständige bombensichere Batterien verstärkt werden. In- 
mitten dieser Festungsanlagen liegt die Stadt, zu beiden 
Seiten des Stromes. 
Als die Russen im Februar und März 1915 eine schwere 
Niederlage erlitten, bot ihnen die Festung Olita, wo mehrere 
Brücken über den Njemen gebaut worden waren, eine gute 
Aufnahmsstellung für den Rückzug. Bei der späteren Samm- 
lung neuer Kräfte zum Vormarsch in der Gegend Mariampol— 
Kalwarja—Suwalki spielte dieser Platz ebenfalls seine 
strategische Rolle. Die Stellungen der Russen verliefen längs 
der starken Abschnitte der Jesia, Dawina, Szeszupa, Kirsna. 
Hinter diesen äußerst verteidigungsfähigen Linien waren 
ganze Netze von Schützengräben ausgebaut, die sich in 
mehreren Abschnitten um Olita hinzogen. Von Vorteil 
für die Russen waren noch die großen Seen zwischen der 
Festung und der Straße Mariampol—Kalwarja—Suwalki; 
ein solches Terrain war geeignet, auch mit schwächeren Kräften 
dem Feinde Trotz zu bieten. Mit einer bemerkenswerten 
Zähigkeit wurden diese Engen verteidigt und durch Gegen- 
angriffe wurde die Absicht bewiesen, sie möglichst lange zu 
behaupten. Denn es war im Interesse der russischen Heeres-- 
leitung, in diesem zu einem hartnäckigen Widerstande beson- 
ders geeigneten Gelände den Durchbruch der Deutschen gegen 
ihre Hauptverbindungslinie Grodno—Wilna zu verhindern. 
So kam es in den Monaten April bis Juli 1915 zu 
wiederholten und heftigen Kämpfen bei Suwalki, Kalwarja, 
Mariampol. Von deutscher Seite begnügte man sich zu- 
nächst damit, den Feind in dieser Gegend zu beobachten, 
seine Vorstöße abzuweisen und allmählich Boden zu gewinnen, 
bis der Zeitpunkt für den allgemeinen Angriff gekommen war. 
Hier stand die Armee GdJ. v. Eichhorn, deren Kräfte 
an dieser Stelle nicht so bedeutend waren, um eine große 
Operation gegen die Festung durchzuführen. Die übrigen Teile 
der deutschen Heeresgruppe wurden für die Aktionen gegen 
Kowno dringender gebraucht; denn ein Fall dieser Festung 
mußte mittelbar auch das Schicksal von Olita entscheiden. 
Mitte Juli erfolgte endlich auf diese langwierigen Kämpfe, 
die an die Ausdauer der deutschen Truppen die größten 
Anforderungen stellten, der Vormarsch zum Angriff. Die 
Russen wurden vom 20. Juli ab über die Straße Su¬ 
walki—Kalwarja nach Osten geworfen, von der oberen 
Jesia östlich Mariampol verdrängt und auch aus der schwie- 
rigen Seenlandschaft zwischen Suwalki und Sejny ver- 
trieben. Der Dawina-Abschnitt wurde von den Deutschen 
am 13. August erreicht, wodurch der Feind allmählich gegen 
den Njemen auf Olita zurückweichen mußte. Noch einmal 
leisteten die Russen Widerstand. Es war in der Linie, welche 
längs der Pierszaika verlief, zwischen Olita und Simno, 
wobei sie sich auf das günstige sumpfige Terrain und die Seen 
stützen konnten. Diese Bodenbeschaffenheit wurde von den 
Russen auch bei dem bald erfolgten Rückzüge ausgenützt; 
unter ihrem Schutze gaben sie endlich ihre Stellungen auf. 
Durch die Einnahme von Kowno am 18. August war 
die Festung Olita unhaltbar geworden. Denn schon drangen 
Geschichte des Weltkrieges. II. 
schen in Russisch-Polen 1915. 129 
andere deutsche Truppen östlich des Njemen vor und be- 
drohten die Verbindung Olita—Orany. Darum ließen es 
die Russen nicht mehr auf einen Kampf um Olita an-- 
kommen, sondern schafften die Geschütze und wohl auch 
den größten Teil der sonstigen Ausrüstung fort. 
Am 26. August 1915 wurden die verlassenen Werke 
der Festung Olita von den Deutschen kampflos besetzt. 
Der befestigte Platz hatte als solcher seinen Wert verloren 
und fiel den Deutschen als Ergebnis ihres großen Vor- 
Marsches ohne weitere Kämpfe in die Hände. Ein vor- 
zeitiger Angriff durch die Deutschen hätte diesen nur un- 
nötige Verluste und Munition gekostet. 
Dieses Beispiel zeigt, wie Oberst Immanuel in seiner 
Darstellung über die Eroberung der russischen Festungen 
ausführt, daß ein stark befestigter Punkt durch die allge- 
meinen Heeresbewegungen, die zum strategischen, taktischen 
und moralischen Zusammenbruch des Verteidigers geführt 
haben, völlig gegenstandslos werden kann. 
Osowiec. 
(Besetzung ain 2z. August 1915.) 
Die Festung Osowiec ist von den Russen als Verbin- 
dungsglied im Gürtel des polnischen Festungsnetzes zwischen 
den Stützpunkten am Njemen und denjenigen am Narew 
erbaut. Durch seine Lage in den Sümpfen des Bobr, die 
sich von der Gegend südöstlich Augustow bis zum Zu- 
sammenfluß des Bobr mit dem Narew auf eine Strecke von 
mehr als 80 Kilometer bei einer Breite von 15 bis 20 Kilo- 
metern erstrecken, erhält der Punkt eine höchst bedeutende 
Stärke. Für die Strategie kommt eine einzige, gute für 
Heeresbewegungen brauchbare Straße in Betracht, die 
über die Sperrfortgruppe von Osowiec führt. Dadurch 
fällt eine Unterbindung des Verkehrs in fast vollkommener 
Weise der Befestigung anheim. Ein Durchbruch an einer 
Stelle, die wie die Enge bei Osowiec in besonderer Weise 
gesperrt war, mußte naturgemäß auf große Schwierig- 
keiten stoßen. Er konnte nur in schmaler Frontbreite er- 
folgen, so daß das Gelingen der Unternehmung zweifel- 
Haft bleiben mußte. Andrerseits schien gerade dieser Eng- 
paß ein verlockender Eingang in den polnischen Festungs- 
gürtel zu sein, denn Straße und Eisenbahn führen nach 
dem wichtigen Bialystok an der Hauptstraße Warschau— 
Wilna, die hier der ostpreußischen Grenze am nächsten ist; 
auch ließ sich damit rechnen, daß nach Öffnung des Durch-- 
ganges bei Osowiec die russische Narewfront von Nord- 
osten her aufgerollt und Grodno im Süden gefaßt werden 
konnte. So war es naheliegend, daß die deutsche Heeres-- 
leitung den Versuch machte, Osowiec frühzeitig zu brechen, 
um sich den Weg ins Innere des Festungsgürtels zu bahnen. 
Schon im Oktober 1914 fand ein Vormarsch der deutschen 
Truppen über Grojewo gegen Osowiec statt. Die vorge¬ 
schobenen russischen Kräfte wurden zurückgedrängt und die 
Festungswerke mit schwerer Artillerie beschossen. Jedoch 
die Terrainschwierigkeiten waren so groß, daß ein Erfolg 
nicht erreicht werden konnte, während sich ein Sturmver- 
such mit Rücksicht auf die Enge des einzigen Zuganges nicht 
lohnte. Die Besatzung rühmte sich, wohl mit wenig Grund, 
der Beschießung getrotzt zu haben. Durch die allgemeine Kriegs- 
läge wurden die Deutschen Ende November gezwungen, Ost- 
preußen bis an die Seenlinie zu räumen. Der Zar traf in 
Osowiec ein und beglückwünschte die Besatzung, welche zumeist 
aus Sibiriern bestand, zu dem erfolgreichen Widerstande. 
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