Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

Periode der Organisierung der europäischen Judenheit bis zu den Kreuzzügen 
Kraft setzte, wonach Juden nicht Vorgesetzte von Christen sein 
durften, und den König von Kastilien auch persönlich ermahnte, »in 
keiner Weise zu dulden, daß Juden über Christen gebieten oder ihnen 
irgendwie vorgezogen werden«. 
Wenige Jahre später gelang es Alfons VI., Cordova seinem Reiche 
einzuverleiben und auch die einstmalige Metropole des Westgotischen 
Reiches, Toledo, durch Tausch zu erwerben (1085). Er machte sie zur 
Hauptstadt Kastiliens, und bald bildete sich dort von neuem eine be 
deutende jüdische Gemeinde. Die unaufhaltsam fortschreitende Er 
weiterung des christlichen Machtbereiches versetzte das ganze musel 
manische Spanien in Schrecken. Um dem Vordringen der Christen 
ein Ziel zu setzen, sahen sich die Emire, die sich in Spanien noch 
halten konnten, genötigt, bei den Almoraviden, einer Berbersekte 
von »Gottesfürchtigen« in Nordafrika, Hilfe zu suchen. Das Sek 
tenhaupt Jussuf ibn Taschfin, der Begründer von Marakesch (Ma 
rokko), leistete dem Ruf Folge, vereinigte unter seinem Befehl alle 
muselmanischen Streitkräfte in Spanien und brachte den Christen 
in der Nähe von Badajoz eine schwere Niederlage bei (1086). Spa 
nische Juden sollen auf beiden Seiten gekämpft haben, und es ist 
bezeichnend für die Beziehungen zwischen den drei in Spanien ver 
tretenen Religionen, daß sowohl am Freitag, dem heiligen Tag der 
Muselmanen, als auch am Sabbat und Sonntag, den Ruhetagen der 
Juden und Christen, die Waffen ruhten. Nach dem großen Sieg des 
Jussuf ibn Taschfin blieb Andalusien ein halbes Jahrhundert lang 
fest in der Hand der Almoraviden (unten, § 14). 
§ 9. Die literarische Renaissance auf spanischem Boden. 
Das enge Zusammenwirken von Arabern und Juden auf kultu 
rellem Gebiet brachte es mit sich, daß in Spanien die Renaissance 
vier Jahrhunderte früher als in Italien ihren Einzug halten konnte. 
Eine gewaltige Aufklärungsbewegung, wie sie seit den Zeiten der 
jüdisch-hellenistischen Kultur nicht mehr in Erscheinung getreten 
war, setzte ein. Allerdings war die jüdisch-arabische Renaissance in 
Spanien, die eine Fortsetzung der großen geistigen Bewegung im Ka 
lifat von Bagdad (Band I, § 65) bildete, im Grunde nur ein später 
Ausläufer der jüdisch-hellenistischen Kultur. Hatten sich in dieser 
Hellenismus und Judaismus verflochten, so verband sich jetzt jü 
disches Gedankengut mit hellenistisch-arabischem. Plato und Aristo-
	        
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