Volltext: Hausbaustudien in einer Kleinstadt

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Burgherr hinter schweren Eisentüren seine Besitzurkunden verwahrte. 
An jenes „Gewölbe" reihen sich dann weiter nach links die Stal¬ 
lungen und vor der ganzen Langfront des Hauses läuft ein er¬ 
höhter Steig hin, unter welchem sich vor der gesonderten Stalltür 
die Jauchengrube — bei uns „Abeltpfütze" — mit dem Dünger¬ 
haufen befindet. 
Wenn wir nun sehen, wie in der Stadt die Baustellen in 
schmalen, dicht aneinander gereihten Streifen verteilt wurden und 
nach Lage der Dinge nicht anders verteilt werden konnten, so wird 
es uns klar, daß sich das alte Schema des Bauernhauses nicht ein¬ 
fach übertragen ließ. Namentlich mußte der Umstand in Betracht 
sallen, daß der Zugang unmöglich von der Lang seit e angeordnet 
werden konnte, sondern sich nur in der der Gasse zugekehrten 
Schmalseite befinden konnte. Dies mußte die ganze Anordnung be¬ 
einflußen; dennoch erkennen wir im alten Stadthause die einzelnen 
Wohnungsbestandteile des Landhauses genau wieder. 
Daß aber in der Tat die Bauleute des 14. Jahrhunderts ihr 
Modell vom älteren Landhause nahmen und die Umstellung der 
Baubestandteile nur durch die Deformation der städtischen Bau¬ 
stellen erzwungen war, das zeigte mir zur Zeit meiner Kindheit 
noch ein Haus am Niedertore, welches die lange Häuserzeile nach 
diesem Ende zu abschloß und sich sonach jenem Zwange entzogen 
sah. So unscheinbar das Häuschen sonst war, verdient es doch 
schon um dieses Umstandes willen, aber auch nicht deshalb allein, 
unsere Beachtung. Ich versetze mich zurück in die Vierzigerjahre 
des vorigen Jahrhunderts und geleite deu Leser zum „Niedertor" 
in die Stadt hinein. Von dem ummauerten Zwinger vor bem 
Tore, den das alte Bild andeutet, ist keine Spur mehr vorhanden. 
Rechter Hand hat sich eine Häuserreihe vor jener, zum Teil viel¬ 
leicht auf jener Mauer angebaut; linker Hand nahe am Tore aber 
steht die damals als Schupseu benützte Skt. Wenzelskirche an der 
Stelle jener geschichtsbekannten Kirche, welche die evangelischen Be¬ 
wohner in diesen Zwinger hineingebaut hatten. Hinter bieser Kirche 
unb ihrem Kirchhofe, ber zur Aufstellung von Tuchrahmen benützt 
worben war, ftanb noch ein Stück alter Mauer auf ber Kante des 
steilen Felsenhanges, unter bem bie herrschaftliche Meierei, bas 
„Vorwerk", sich anschmiegte. Der schlanke Torturm selbst war längst
	        
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