III. Drama und Theater in den Stiften.
Ich habe schon des näheren ausgeführt, wie in den Klöstern
gegen Ende des 16. Jahrhunderts der kirchliche Sinn wieder erwachte
und die gegenreformatorischen Bestrebungen eine neue Volksdramatik
geistlichen Charakters hervorriefen. Wenn ich nun an jener Stelle
bemerkte, daß sich dieses neue Volksschauspiel aus der Schul¬
dramatik entwickelt habe, so wollte ich damit nicht etwa die
Grenzen beider verwischen, sondern den Begriff Schuldrama in
etwas erweitertem Sinne verstehen. Es ist kein Zweifel, daß das
Schuldrama im engeren und eigentlichen Sinne anderen Zweck,
andere Darsteller, andere Bühnenausstattung besitzt als die Volks¬
bühne und mit dieser fast nichts gemein hat; es ist aber ebenso
sicher, daß solche reine Schuldramen verhältnismäßig selten auf¬
geführt wurden.
Was die Schulmeister spielten, war in den meisten Fällen
nicht für die Schüler, sondern für die Zuschauer berechnet, wenn
auch Anlaß und Darsteller in den Kreis der Schule gehörten und
der Zweck vorgeblich ein pädagogischer war.
Und indem der Klerus dasselbe tat, aber mit viel mehr Ge¬
schick und Kenntnis des Volksgeschmackes, und die Laien zu
selbständiger Betätigung in dieser Richtung ermunterte, bewirkte
er, daß die noch vorhandenen Reste des Volksschauspieles neues
Leben gewannen.
Es war ein Nebeneinander der Entwicklung und doch kann
man sagen, daß die alte Volksdramatik ohne Schuldrama wohl sicher
dem völligen Untergange geweiht gewesen wäre. Es darf auch
nicht übersehen werden, daß die wiederbelebte Volksdramatik deut¬
lich die Spuren des Schuldramas verrät. So können wir also doch
mit Recht behauptendes habe sich aus dem Schuldrama eine neue l
Volksdramatik entwiekelt.