Volltext: Der österreichische Staatshaushalt und die Steuerreform (Teil II. / 1909)

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konnte eine solche Maßregel gutheißen — heute freilich 
tut das Finanzministerium Buße, aber zu spät: heute will es die in 
direkten Abgaben wieder an den Staatssiskus (camera) zurückbringen 
oder „inkamerieren", muß aber die Rücklösung mit vielen Millionen 
überzahlen! 
Die erste Biersteuererhohung! 
Der -ritte verfctssungsbruch! 
Nicht genug an diesen Verteuerungen von Volksgenußmitteln: 
zum Branntwein kam noch das Bier! In unverantwortlicher Weise 
haben nämlich die auf Böhm folgenden Finanzminister einem Land 
tag nach dem' anderen die Erhebung von Landesbierauflagen be 
willigt, welche von jedem Hektoliter Bier von Kr. 1*70 bis zu 4 Kr. 
in den verschiedenen Kronländern betragen. Die Landtage, welche den 
Konsumenten das Wahlrecht verweigern, haben natürlich nach allen 
alten Verfassungsgrundsätzen nicht das Recht, jene zu besteuern, die 
nicht wählen dürfen. 
Und so ist denn die ganze Epoche von 1896 bis 1908 charak 
terisiert : In ungesetzlicher und unrationeller Weise, ohne Zustimmung 
des Parlaments, wider den Wortlaut und den Geist des Staats 
grundgesetzes, wurden Zucker, Branntwein und Bier, die 
verbreitetsten Nahrungs- und Genußmittel des Proletariats, stark 
belastet. An die direkten Steuern, an die Abgaben, der Besitzenden 
natürlich wagte sich der Verfassungsbruch nicht heran. 
Mit boshafter Hartnäckigkeit,' verlassen von allen guten Geistern 
der Finanzpolitik, stürzen sich die Finanzminister auf ein Steuer 
objekt nach dem anderen, verteuern den Massenkonsum und erhöhen 
die allgemeine Teuerung. So treiben sie das Volk zur Ver- 
zweislung^ den Staat und die Länder aber in den — Bankerott. 
IV. Abschnitt. 
Die angedrohten Aeubetastungen des arbeiten 
den Wotkes durch das Ministerium Mienerth- 
Wilinski. 
Im Lichte der gesamten geschichtlichen Entwicklung unseres 
Steuersystems tritt erst die ganze Kraßheit der jetzt eingebrachten 
Steuervorlagen so recht hervor. Die Geduld des Proletariats ist 
sprichwörtlich groß, aber diese Vorlagen müssen das Faß zum Ueber- 
laufen bringen. Hatte K o r y t o w s k i, der Finanzminister des 
Kabinetts Beck, sich noch mit der vorgeschlagenen Erhöhung der 
Branntweinsteuer begnügt, um 34'/2 Millionen Kronen aus den 
Taschen der Konsumenten zu ziehen und hiervon 27 Millionen den 
Kronländern zu überweisen, so griff Bilinski, der Finanzminister
	        
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