Volltext: Matosch-Gedenkbuch [20]

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Sem Nachbar zur Linken, der reiche, aber griesgrämige Stadel spreizte ihm 
Dach und Sparrenwerk in die Hüften, um sein Streben hämisch, neidig 
niederzuhalten. Aber großer Seelen Rache heißt: nicht beachten. Nußbaums 
zweiter Nachbar war die Gypshütte. Nachbar Stadel knarrte mit seinen 
Türen und Guckbalken sie oft an. Feinem Gehör mochte es klingen wie 
Geschimpf: „Altes Bauernweib, lebst nur der Arbeit!" Schweigen wäre 
dem Stadel bester angestanden, denn seine ländliche Herkunft konnte auch 
er nicht verleugnen, aber er war ein Streber, dünkte sich halber Städter 
und wollte noch ein ganzer werden. Magazin wollte er heißen. Das kostete 
ihm später das Leben. 
Vom alten Nußbaum aber darf ich nicht 'verschweigen, daß dessen 
Nindenrauheit und Reckenhöhe dennoch eine weiche Seele barg. Spatzen 
tollten und Katzen schliefen auf ihm. O, er war ja ein so sonniger Kerl! 
Dabei gebefreudig wie ein Kind. Hageldicht ließ er im Herbst die Nüsse 
auf die Erde prasseln, wenn der große Michel, unser Hausknecht, mit der 
Stange in den Aesten strottete. 
Auch galant konnte er sein. Hätte der alte Stadel von Liebe etwas 
verstanden — daß der den Nußbaum in die Hüften kitzelte, entsprang 
anderen Gefühlen — hätte er bestimmt behauptet, der Baum sei manchmal 
verliebt. War es denn nötig, daß- er seine Blüten auch den schönen Blumen 
zuwarf, die im kleinen Gärtel neben ihm aller Augen erfreuten? Wäre 
nicht im staubigen Hofe Platz dafür gewesen? Wozu bog er überhaupt 
gerade zur Rosenzeit die Zweige so weit nieder? Tat's doch der Schlaue 
im Winter auch nicht. Na, der Getreidekasten, der alte Stadel, hätte so 
denken und fragen mögen. Ich aber will den Jugendfreund aus der 
Baumwelt, der an heiteren Tagen so grüngoldig zum Fenster hereinleuchtete, 
nicht törichter Begierden zeihen. Ich glaube, wenn er Zwiesprach pflegte, 
ging's schief über die Straße zum wuchsgleichen Birnbaum vorm Nachbar 
haus, der ein Bänklein beschattete und die Greiner-Kinder, meine Ver 
wandten. 
Wie er über die Menschen dachte, deren Treiben auf Straße und 
Hof er so reichlich beobachten konnte? Darüber schwieg er. Sein Wuchs 
ging gradaus nach oben und im während.n Wachstum hatte er sich ein 
Stillesein errungen, das Wärme, Stärke und Stolz bedeutete. Ich wollte, 
er stünde noch. 
Totenschlacht?) 
(V i s i o n auf dem 
Stumm liegt das Feld. In kalter 
Nacht 
Hab'ich mich heimwärts aufgemacht 
Vom Totenfeld der Bauern. 
Es zuckt und leuchtet silberfahl 
Durch grau Geäst der Mondenstrahl 
Und bleicht der Höfe Mauern. 
Emling er Feld.) 
Ich schreite leis und traumesschwer. 
Die Nebelschwaden huschen her 
Und zieh'n auf kahlen Flächen. 
Da sieh' und horch — es kommt und 
kreischt 
Wie Geisterlaut, der Sühne heischt, 
Gemordete zu rächen. 
*) Im oberösterreichisch.m Bauernkrieg wurde am 9. November 1626 vom kaiserlichen 
General Pappenheim das im Emlinger Holz bei Eferding verschanzte Bluernheer vernichtend 
geschlagen. 5000 Tote bedeckten das Schlachtfeld. Der schlachterprobte General versicherte 
in seinem Bericht an den Kaiser, daß es das „wütendste Fechten" war, welches er je mitgemacht.
	        
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