Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Die Religion und das absolute Wissen. 
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unterirdische Nacht, in das Selbst zu verlieren und oben nur mit 
stiller Muttersehnsucht zu verweilen. Der laute Trieb aber ist das 
vielnamige.Lichtwesen des Aufgangs und sein taumelndes Leben, das 
von seinem abstracten Sein ebenso abgelassen, sich zuerst in das gegen 
ständliche Dasein der Frucht befaßt, dann dem Selbstbewußtsein sich 
hingebend, in ihm zur eigentlichen Wirklichkeit gelangt, — nun als 
ein Haufen schwärmender Weiber umherschweift, der ungebändigte 
Taumel der Natur in selbstbewußter Gestalt." Wir gedenken der 
Worte Schillers, wie er den Bacchuszug schildert: „Faun und Satyr 
taumeln ihm voran, um ihn springen rasende Mänaden" u. s. f. 
Unwillkürlich vergleicht sich im Geiste unseres Philosophen das 
Mysterium der Kunstreligion nüt dem der offenbaren Religion: die 
Hingebung des menschgewordenen Naturgeistes mit der Hingebung des 
menschgewordenen Gottes (absoluten Geistes). Er sagt vom Naturgeist: 
„Sein selbstbewußtes Leben ist daher nur das Mysterium des Brodes 
und des Weins, der Ceres und des Bacchus, nicht der andern, der 
eigentlich oberen Götter, deren Individualität als wesentliches Moment 
das Selbstbewußtsein als solches in sich schließt. Noch hat sich ihm 
also der Geist als selbstbewußter Geist nicht geopfert, und das 
Mysterium des Brodes und des Weins ist noch nicht das Mysterium 
des Fleisches und des Blutes." 1 
Die wahre Offenbarung des menschgewordcnen Naturgeistes ist die 
Schönheit und Kraft des wirklichen Menschen und dessen festliche 
Verherrlichung. „Ein solcher Kultus ist das Fest, das der Mensch zu 
seiner eignen Ehre sich giebt." „Der Mensch stellt also an die Stelle 
der Bildsäule sich selbst als zur vollkommen freien Bewegung er 
zogene und ausgearbeitete Gestalt, wie jene die vollkommen freie Ruhe 
ist 2 , ein beseeltes lebendiges Kunstwerk, das mit seiner Schönheit die 
Stärke paart, und dem der Schmuck, womit die Bildsäule geehrt 
wurde, als Preis seiner Kraft und die Ehre, unter seinem Volke statt 
des steinernen Gottes die höchste leibliche Darstellung ihres Wesens zu 
sein, zu Theil wird." 
3. Daslgeistige Kunstwerk. 
Die beiden Seiten des lebendigen Kunstwerks sind zu vereinigen: 
die bacchische Begeisterung und die schöne Körperlichkeit; in jener ist 
1 Ebendas. S. 521—525. — - Ebendas. S. 525 u. 526. 
27»
	        
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