Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Der sich entfremdete und der seiner selbst gewisse Geist. 405 
Glückseligkeit hervorbringt und zugleich die Pflichten als viele heiligt"? 
In Vergleichung mit dem göttlichen Bewußtsein erscheint das mensch- 
. liche durch seine Beschränktheit so unvollkommen, durch sein von der 
Sinnlichkeit afficirtes Wollen so unlauter, daß es die Glückseligkeit als 
eine nicht durch Würdigkeit verdiente, sondern nur aus freier Gnade 
geschenkte erwarten kann. Rein ist nur sein Denken. „Das absolute 
Wesen ist eben dies Gedachte und jenseits der Wirklichkeit postulirte; 
es ist daher der Gedanke, in welchem das moralisch unvollkommene 
Wirken und Wollen für vollkommen gilt, hiermit auch, indem es 
dasselbe für vollwichtig nimmt, die Glückseligkeit nach der Würdigkeit, 
nämlich nach dem ihm zugeschriebenen Verdienste ertheilt. Die 
Weltanschauung ist hierin vollendet." 
4. Hier aber treten uns schon die Widersprüche in der moralischen 
Weltanschauung entgegen. Die Moralität ist entweder ganz oder gar 
nicht, sie läßt sich nichts abbrechen. Sein oder Nichtsein! Entweder 
vollendete Moralität oder keine. Wenn Pflichtbewußtsein und Wirk 
lichkeit, seine eigene Wirklichkeit nicht übereinstimmen, so giebt es 
kein moralisch vollendetes wirkliches Selbstbewußtsein, also 
überhaupt kein moralisch wirkliches? 
Dadurch wird das zweite Postulat erschüttert: die Harmonie der 
Moralität und der Sinnlichkeit. Da diese beiden einander fortwährend 
widerstreiten, so wird aus ihrer Harmonie eine Aufgabe, deren Lösung 
sich ins Unendliche hinausschiebt, obwohl ihr Inhalt reales Dasein 
verlangt. Das Individuum hat beständig daran zu arbeiten, seine 
Sinnlichkeit der Moralität gemäß zu machen und in dieser Richtung 
fortzuschreiten, obwohl es das Ziel nie erreichen kann und darf? 
Nun aber kann es dem moralischen Bewußtsein mit einer nie zu 
lösenden Aufgabe und mit einem nie zu erreichenden Ziele unmöglich 
Ernst sein; daher muß es diese seine Positionen und sich selbst ver 
stellen. 
2. Die Verstellung, b 
Niemals ist die moralische Weltanschauung der kantischcn Philo 
sophie auf eine solche Reihe gegen sie gekehrter, epigrammatischer Spitzen 
gestellt worden, als in diesem Abschnitte der Phänomenologie. 
l. Die Glückseligkeit als Lohn der Würdigkeit gehört an das 
fernste Ziel der Zeiten. Und doch soll jede gegenwärtige Handlung 
* Ebendas. S. 445. — - Ebendas. S. 446. — - Ebendas. S. 448. — “ Eben 
das. S. 442. — 5 Ebendas, b. Die Verstellung. S. 449—460.
	        
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