Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Wenn es gutmüthiger Weise die Schuld, daß ihr eine philosophische 
Schrift nicht zusagt, eher auf sich nimmt, so schieben hingegen diese, 
ihrer Competenz gewiß, alle Schuld auf die Schriftsteller. Die Wirkung 
ist in jenen stiller, als das Thun dieser Todten, wenn sie ihre Todten 
begraben. Wenn jetzt die allgemeine Einsicht überhaupt gebildeter, 
die Neugierde wachsamer und ihr Urtheil schneller bestimmt ist, so daß 
die Füße derer, die dich hinaustragen werden, schon vor der Thüre 
stehen, so ist hiervon oft die langsame Wirkung zu unterscheiden, welche 
die Aufmerksamkeit, die durch imponirende Versicherungen erzwungen 
wurde, sowie den verwerfenden Tadel berichtigt und einem Theile 
eine Mitwelt erst in einiger Zeit giebt, während ein anderer nach 
dieser keine Nachwelt mehr hat." 
Man möge nicht vergessen, daß die Vorrede zur Phänomenologie 
nach der Schlacht von Jena geschrieben ist, im Wendepunkt der 
Jahre 1806 und 1807. 
II. Einleitung. 
1. Das Erkenntnißvermögen als Werkzeug und Medium. 
Gegen die Möglichkeit der Phänomenologie, als welche den Weg 
des natürlichen Bewußtseins zur absoluten Erkenntniß sowohl darthut 
als durchläuft, erheben sich Schwierigkeiten und Zweifel, welche sämmt 
lich das menschliche Erkenntnißvermögen betreffen: ob dasselbe nach Art 
und Umfang im Stande sei, die genannte Aufgabe zu lösen, und 
nicht vielmehr kraft seiner Natur das Ziel verfehlen und in die Irre 
gerathen müsse? Denn das menschliche Erkenntnißvermögen gilt ent 
weder als das Werkzeug, welches die Gegenstände aus dem Dunkel in 
das Licht des Bewußtseins bringt, also ergreift, bearbeitet und dadurch 
verändert, oder als das Medium, wodurch uns die Gegenstände er 
scheinen und einleuchten, aber zugleich nach dem Gesetze gleichsam der 
Strahlenbrechung dieses Mediums modificirt und verändert werden, 
so daß wir in beiden Fällen die Gegenstände nicht und nie erkennen, 
wie sie sind, sondern stets nur, wie sie uns erscheinen, oder wir ge 
nöthigt sind sie zu betrachten. Damit aber wird die ganze Phäno 
menologie des Geistes als jene Leiter, die sie sein soll und will, als 
jener Weg der wahren Erkenntniß und zur wahren Erkenntniß ziellos 
1 Hegels Werke. II. Vorr. S. 55 u. 56.
	        
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