Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

116 Hegel als Professor der Philosophie in Heidelberg. 
schichte für das Wichtigste gehalten. Diese Ansicht ist jedoch nun außer 
Kredit gekommen, und die Geschichte strebt wieder nach ihrer Würde, 
die Natur und den Gang der stubstantiellen Sache darzustellen und 
die Charaktere der handelnden Personen aus dem, was sie thun, zu 
erkennen zu geben; die Ueberzeugung ist allgemein geworden, daß ans 
Zufälligkeiten weder die Sache noch die Charaktere in ihrer Gediegen 
heit hervorgehen und zu erkennen sind."^ 
Will man die Erklärung aus psychologischen Triebfedern und 
Motiven auf Hegels Beurtheilung selbst anwenden, so ist es wohl 
glaublich, daß der Minister von Wangenheim sich zu diesem Zwecke 
an den Heidelberger Philosophen gewendet und ihm die Kanzlerstelle 
der Universität Tübingen in Aussicht gestellt habe. Haym berichtet es 
mit der Bemerkung: „Ich stütze mich für diese Angaben auf die münd 
liche Mittheilung eines noch Lebenden, bei dieser Angelegenheit Be 
theiligten"? Ein solcher Nebenzweck würde den objectiven Werth seiner 
Beurtheilung nicht im mindesten abschwächen; auch zweifeln wir nicht, 
daß Hegel wie die Fähigkeit, so den Wunsch gehabt hat, die lehrende 
Thätigkeit mit einer gewissen regierenden und verwaltenden Thätigkeit 
zu verbinden, vielleicht sich ganz dem leitenden Staatsdienste zu widmen. 
Als er sein Abschiedsgesuch an die badische Regierung richtete, um dem 
Rufe nach Berlin Folge zu leisten, hat er es geradezu ausgesprochen, 
daß er die Gelegenheit suche, bei weiter vorrückendem Alter von der 
prekären Function, Philosophie an einer Universität zu dociren, zu 
einer anderen Thätigkeit überzugehen und gebraucht werden zu können? 
IV. Philosophische Einwirkungen. Die Anfänge der Schule. 
1. Yxkiill. 
Hegel sah das zweite seiner Lehrsemester in Heidelberg vor sich, 
als im Frühjahr 1817 eine esthländischer Edelmann und Gutsbesitzer, 
Boris von Jxküll, der als Rittmeister in der kaiserlich-russischen Garde 
den Krieg gegen Frankreich mitgemacht hatte, sich bei ihm einstellte, 
voller Begierde und voll Vertrauens, die Quintessenz alles Wissens 
von ihm leicht und schnell zu empfangen. Nachdem er den Professor 
besucht und in ihm nichts weiter als einen einfachen und schlichten 
Mann kennen gelernt hatte, kaufte er sich dessen Bücher, um sie in 
aller häuslichen Behaglichkeit zu lesen. Er las und verstand nichts. 
* Briefe. II. S. 220. — 2 Haym: Vorles. XIV. S. 350. Vgl. S. 507. 
Anmkg. 13. — - Ebendas. 14. S. 356.
	        
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