Das Frühjahr 1917.
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schlug er fehl und konnte nicht verhindern, daß Kriegsminister Kerenski
zusammen mit den militärischen Führern den Kampfeswillen des russischen
Heeres so weit wieder ansachte, daß es Anfang Juli gegen österreichisch-
ungarische Truppen in Ostgalizien beachtliche Angriffserfolge erzielte. In¬
zwischen aber war die Lage an der Westfront einigermaßen gesichert. Dort
bereit gehaltene, wenn auch zahlenmäßig geringe Reserven konnten zum
Eegenschlage im Osten abgegeben werden.
Unterdessen hatten sich die Versenkungsergebnisse des uneingeschränkten
Unterseekrieges seit seinem Beginn fünf Monate hindurch ganz erheblich
über dem vom Admiralstab veranschlagten Soll gehalten; es nahte der
Zeitpunkt, für den Admiral von Holtzendorff den Zusammenbruch der eng¬
lischen Widerstandskraft mit Bestimmtheit vorausgesagt hatte. Diese Wir¬
kung wurde aber gefährdet, wenn die Gesamthaltung der Mittelmächte
eine Schwäche, ein vorzeitiges Friedensbedürfnis erkennen ließ, das
den Gegnern neue Hoffnung gab. Daß es im Österreich-Ungarn Kaiser
Karls in dieser Hinsicht nicht günstig stand, war der Obersten Heeres¬
leitung bekannt, ließ sich aber kaum entscheidend ändern. Um so wichtiger
war, daß Deutschland eine zum Siege fest entschlossene Einheit darstellte.
Im Streben nach diesem Ziele aber vermißte die Oberste Heeresleitung
ausreichende Mitarbeit des Reichskanzlers. Im Ringen um diese wurde
sie immer weiter in das Getriebe der Politik hineingezogen. Sie erreichte
dabei wohl den Sturz des Kanzlers, fühlte sich aber doch nicht stark genug,
die Friedensresolution des Reichstages zu verhindern. Unterdessen hatten
die Friedensbestrebungen Kaiser Karls, das Bekanntwerden der absichtlich
pessimistisch gehaltenen Denkschrift des Grafen Czernin über die hoffnungs¬
lose Lage Österreich-Ungarns und innerpolitische Hergänge in Deutschland
den Gegnern die Schwäche der Mittelmächte bereits in bedenklicher Weise
offengelegt. Die Friedensresolution mußte solchen Eindruck bestärken. Ob
damit im Sommer 1917 die Möglichkeit zu einer auch deutschen Belangen
entsprechenden Verständigung mit den Gegnern zerstört worden ist, steht
dahin; ihr Vorhandensein hat sich nicht nachweisen lassen.
Die Hoffnung der Obersten Heeresleitung blieb auch weiterhin auf
kriegsentscheidende Wirkung des Unterseekrieges gerichtet. Roch im Ok¬
tober schien es ihr, daß die Gegner einzulenken bereit seien; General Luden¬
dorff rechnete mit großer Zuversicht darauf, daß der Krieg den Winter
nicht mehr überdauern werde. Diese Hoffnung wurde enttäuscht.
Unterdessen hatte die große englische Offensive in Flandern mit schier
unerschöpflichem Einsatz von Menschen, Gerät und Munition die deutsche
Landfront seit Monaten aus eine neue, vielleicht die schwerste Probe