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Der Krieg im Osten.
Linie, zwei lagen dahinter; etwa anderthalb Divisionen waren südöstlich
von Riga versammelt. Durch Überläufer frühzeitig unterrichtet, erwartete
General Parski den deutschen Angriff gegen den von etwa einer Division
besetzten Abschnitt Insel Dalen—Oger. Da hinter ihm und seitlich Re¬
serven bereit standen, stieß der deutsche Angriff in Front und Flanken als¬
bald auf Widerstand, der durch Truppen, die von Riga her anrückten, neu
genährt wurde. Die Russen kämpften aber nur noch um Deckung des Rück¬
zuges, den die noch westlich der Stadt stehenden Truppen über fünf Brücken
schon am 1. September begonnen hatten. In der Nacht zum 3. Sep¬
tember wurden Dünamünde und Riga geräumt, die Brücken über die
Düna und die Befestigungen von Dünamünde gesprengt. Die Armee
sollte aus eine bei Wenden vorbereitete Stellung zurückgehen. Das VI. sibi¬
rische Korps entkam westlich des Gr. Weißen Sees ungestört, das XXXXIIL
und das II. sibirische vermochten sich aus der verstopften Hauptstraße nur
in völliger Unordnung dem Abgeschnittenwerden zu entziehen, das
XXI. Korps wich ostwärts aus. Insgesamt soll die Armee nach Berech¬
nungen der russischen Heeresleitung 25000 Mann verloren haben, dagegen
die Artillerie von wohl fünf Divisionen. Dem stand ein deutscher Verlust
von nur 4200 Mann, von dem mehr als ein Viertel auf die 14. bayerische
Infanterie-Division entfiel, gegenüber; 9000 Gefangene waren eingebracht,
dazu 262 Geschütze, davon ein Drittel schwere, und zahlreiche sonstige
Beute.
Der Geländegewinn entsprach durchaus der Zielsetzung: die alte
Hansestadt Riga mit gegen 50000 deutschen Bewohnern war in ge¬
sichertem Besitz, östlich der unteren Düna war bis zu 25 Kilometer Raum
gewonnen. Das große operative Ziel, die westlich von Riga stehenden
russischen Divisionen abzufangen, war aber nicht erreicht. Ob es an¬
gesichts der Gegenmaßnahmen der russischen Führung und der doch immer
noch bemerkenswerten Widerstandskraft der zur Gegenwehr vorgeworfenen
russischen Truppen, vor allem aber der Schwierigkeiten des großen Wald¬
gebiets überhaupt erreichbar gewesen war, erscheint zweifelhaft. Auch
bei Zurücklassung der alsbald nur noch hindernden Masse der Artillerie
und Fahrzeuge wäre man wohl kaum rascher vorwärts gekommen. Nur
der Düna-Übergang hatte mit vorbildlicher Pünktlichkeit und Schnelligkeit
durchgeführt werden können; dann aber waren vier volle Tage vergangen,
bis die 25 Kilometer entfernte Hauptrückzugsstraße des Gegners erreicht
war. Dieser hatte damit Zeit genug gehabt, den Kopf aus der Schlinge
zu ziehen. So waren seine Truppen, wenn auch unter Verlust eines
großen Teiles der Artillerie und unter schweren inneren Erschütterungen,
der ihnen zugedachten Vernichtung doch entgangen.