Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (9, Die Neueste Geschichte / 1929)

§ 8. Die Erpressungspolitik gegen die Juden in Baden 
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Recht in Anspruch zu nehmen, ihnen auf dem Gebiete der Religion 
Verhaltungsmaßregeln zu diktieren. 
Der Kampf um die Emanzipation wurde in Bayern erst nach einer 
längeren Ruhepause, im Jahre i845 wieder aufgenommen, als auch 
in Preußen die liberale Bewegung Oberwasser zu gewinnen begann. 
Um die Wende dieses Jahres liefen beim bayerischen Landtag 26 Pe 
titionen von verschiedenen jüdischen Gemeinden ein. Nunmehr waren 
es die Volksvertreter und nicht der König nebst seinen Ministern, von 
denen man in erster Linie Hilfe erwartete. Indessen sollten sich auch 
die auf den Landtag gesetzten Hoffnungen als trügerisch erweisen. 
Zwar machte sich bei der Besprechung der jüdischen Frage im Land 
tag eine starke liberale Strömung zugunsten der Juden bemerkbar, 
doch führte der bekannte Theologe Ignaz Döllinger, der in seiner Rede 
den kulturellen Zustand der Judenschaft in düsteren Farben schiL 
derte, in der Gesinnung der Abgeordneten einen plötzlichen Umschwung 
herbei. Die am 7. Mai i846 angenommene Resolution verlangte eine 
Revision des „Judenedikts“ nicht etwa zwecks Durchführung der 
Gleichberechtigung, sondern lediglich zum Zwecke der Beseitigung der 
beschwerlichsten Rechtsbeschränkungen. Die Regierung erklärte sich 
mit dieser Resolution einverstanden, zögerte aber noch immer, sie in 
die Tat umzusetzen. Alle Bemühungen der bayerischen Juden, we 
nigstens eine Erleichterung ihrer rechtlichen Lage zu erwirken, blie 
ben somit völlig fruchtlos, und eine Änderung sollte erst mit der Revo 
lution von i848 ein treten. 
§ 8. Die Erpressungspolitik gegen die Juden in Baden 
Nirgends trat das Bestreben, die jüdische Religion in den Eman 
zipationskampf hineinzuziehen, so kraß zutage wie im Großherzogtum 
Baden. In diesem Lande, dessen Verfassung damals die liberalste in 
ganz Deutschland war, trug man keine Bedenken, den Verzicht der 
Juden auf all ihre einer Verschmelzung mit den Deutschen im Wege 
stehenden national-religiösen Eigenheiten zur Vorbedingung der Eman 
zipation zu machen. Während sich in Bayern allein die Regierung eine 
solche Einmischung in das geistige Leben der Juden erlaubte, schreck 
ten in Baden auch die Volksvertreter nicht davor zurück, und zwar 
selbst die fortschrittlichsten unter ihnen. 
Für die 20000 Seelen starke jüdische Bevölkerung des badischen
	        
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