Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (10, Die Neueste Geschichte / 1929)

§ 53. Das jüdische Palästina 
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§ 53. Der Aufstieg des jüdischen Palästina 
Nach dem Scheitern des diplomatischen Zionismus drängten sich 
von selbst die Vorzüge des praktischen Zionismus auf (oben, § 48). 
„Stärkung der jüdischen Positionen in Palästina“ — so lautete nun 
mehr die allgemeine Losung. Die selbst unter den ungünstigsten Ver-^ 
hältnissen des türkischen Regimes nicht ausgeschlossene allmähliche 
Vergrößerung der jüdischen Stadt- und Landbevölkerung, Ankauf von 
Grund und Boden, Heranziehung von Kapital zur Entwicklung der In 
dustrie, Erweiterung des Netzes der finanziellen, genossenschaftlichen 
und kulturellen Institutionen — dies war das Programm des Zionis 
mus in seiner neuesten Phase. Während man um die Jahrhundert 
wende, in der Zeit der ideologischen Experimente, den Nachdruck 
auf die landwirtschaftliche Kolonisation gelegt und diese als die 
Grundlage des zu errichtenden Zentrums betrachtet hatte,, beschloß 
man jetzt, das Hauptaugenmerk auf die Besiedlung der Städte und 
die Förderung der Industrie zu richten, was auch mehr dem Grund 
charakter der jüdischen Wirtschaftstätigkeit in der Diaspora ent 
sprach. Die Folge dieser Umstellung war ein merklicher Aufschwung 
der palästinensischen Städte, in die viele wohlhabende jüdische Fa 
milien aus Rußland einwanderten. In dem Zeitraum 1901—1914 
stieg die Zahl der Juden in Palästina von etwa 70 000 auf rund 
100000 an (gegenüber 600000 Arabern). Obgleich sich nur ein ge 
ringer Teil der Neuankömmlinge der Landwirtschaft zuwandte, 
machte die landwirtschaftliche Kolonisation, mit dem Tempo der frü 
heren Zeit verglichen, bedeutende Fortschritte: im Jahre 1907 be 
standen in Palästina 27 jüdische Kolonien mit insgesamt 7000 Ein 
wohnern, sieben Jahre später aber bereits 43 Kolonien mit 12000 
Seelen. Zugleich wurden in den Kolonien die arabischen Tagelöhner 
in steigendem Maße durch jüdische Arbeitskräfte ersetzt, was den 
Siedlungen einen ausgeprägteren nationalen Charakter verlieh. Diese 
Erfolge beruhten nicht zuletzt darauf, daß die zionistischen Führer, 
die sich früher mehr mit Politik als mit praktischer Arbeit befaßt 
hatten, nunmehr ihre Aufmerksamkeit vor allem dem im Gange befind 
lichen Aufbauwerk zuwandten. Im Jahre 1908 eröffnete die zioni 
stische Organisation in Jaffa ein „Palästina-Amt“, an dessen Spitze 
der bekannte Nationalökonom Arthur Ruppin, der Verfasser des Bu 
ches „Die Juden der Gegenwart“ (1. Aufl. 1904), trat. Ruppin brachte
	        
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