Volltext: Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (10, Die Neueste Geschichte / 1929)

§ 21. Die Fortdauer der Unterdrückung unter Nikolaus II. 
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rung Alexanders III. einen gleichsam symbolischen Abschluß. Ihr 
Anfang stand im Zeichen der Pogrome, ihr Ende in dem der Ver 
treibung. 
§ 21. Die Fortdauer der Unterdrückung unter Nikolaus II. 
(1895-1900) 
Der Thronwechsel bedeutete in Rußland im XIX. Jahrhundert 
stets auch einen Wechsel des bestehenden Regierungssystems. Jeder 
neue Herrscher setzte sich, wenigstens zu Beginn seiner Regierung, 
in Gegensatz zu seinem Vorgänger. Der Regierungsantritt Alex 
anders I. und Alexanders II. war durch eine Schwenkung nach der 
Seite des Liberalismus, der Nikolaus* I. und Alexanders III. durch 
eine Schwenkung nach der Seite der Reaktion gekennzeichnet. Nach 
dem Tode dieses letzteren hätte turnusgemäß der Liberalismus wieder 
an die Reihe kommen sollen; indessen wurden die optimistischen Er 
wartungen der russischen wie der jüdischen Öffentlichkeit durch die 
Tatsachen Lügen gestraft. Gerade die Regierung Nikolaus* II. sollte 
sich für Rußland und namentlich für dessen jüdische Bevölkerung 
am verhängnisvollsten erweisen. Ein Mann von schwachem Verstände, 
glaubte der junge Zar blind an die ihm angeblich zuteil gewordene 
„göttliche“ Mission, die Selbstherrschaft aufrechtzuerhalten und die 
Freiheitsbewegung zu unterdrücken. In einer Ansprache, mit der er 
sich im Januar 1895 an die eine Verfassung herbeisehnenden Ver 
treter des Landadels und der Städte wandte, ließ sich Nikolaus II. 
wie folgt vernehmen: „In letzter Zeit wurden in einigen Landschafts 
versammlungen Stimmen von Männern laut, die sich sinnlosen Träu 
mereien über die Zuziehung von Vertretern der Landschaften zur 
Verwaltung von Staatsangelegenheiten hingeben. Mögen nun alle wis 
sen, daß ich das Prinzip der Selbstherrschaft ebenso fest und un 
erschütterlich aufrechterhalten werde, wie dies mein unvergeßlicher 
Vater getan hat“. Seit diesem denkwürdigen Augenblick war niemand 
mehr im Zweifel darüber, daß der Despotismus keinen Schritt zu 
rückweichen wolle und daß sich der russische Polizeistaat erst nach 
langen, schweren Kämpfen in einen Rechtsstaat verwandeln könne. 
Auch die Juden waren sich nunmehr darüber klar, daß der gegen 
sie seit vierzehn Jahren geführte Krieg bald seinen Fortgang neh 
men werde. Auf eine Verbesserung ihrer Lage durften sie umso weni
	        
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