Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

§ 3. Der geistige Mittelpunkt in Palästina 
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und Marokko) Zugewanderten, daß sie die öffentliche Andacht nach 
dem von dem Brauche der Maghrebiten abweichenden „arabischen“ 
Ritus verrichteten. Radbas bewog nun die Vertreter der beiden Ge 
meinden, auf Grund gegenseitiger Konzessionen einen Vergleich ab 
zuschließen (1527). Daneben ordnete er an, daß man sich in den 
schriftlichen Verträgen und in den sonstigen rechtserheblichen Ur 
kunden der bei den morgenländischen Juden geltenden seleucidischen 
Zeitrechnung (Band II, § 2), die sich am längsten in Ägypten er 
halten hatte, nicht mehr bedienen solle. Seitdem bürgerte sich auch 
im Morgenlande die bei den europäischen Juden schon längst ge 
bräuchliche Ära „von der Erschaffung der Welt“ ein. Vierzig Jahre 
hindurch stand Radbas der Talmudhochschule von Kairo sowie dem 
dortigen Rabbinerkollegium vor. Seine zahlreichen, das jüdische Recht 
betreffenden Entscheidungen (Responsen, „Teschuboth“) verschaff 
ten ihm bei seinen Zeitgenossen das allergrößte Ansehen. Als hoch- 
betagter Greis suchte Rabbi David noch einmal das ihm aus seiner 
Jugendzeit vertraute Safed auf, wo er sich mit unermüdlichem Eifer 
an den Arbeiten des Rabbinerkollegiums beteiligte, als dessen Ober 
haupt nach Jakob Berab dessen berühmter Jünger Joseph Karo 
wirkte. 
Die ägyptischen Juden bewahrten dem obersten Landesherrn, dem 
türkischen Sultan, stets unverbrüchliche Treue. Ihre patriotische Ge 
sinnung trat namentlich bei folgendem Anlaß zutage. Der im Lande 
gebietende Pascha Achmed Schaitan faßte den Plan, von der Tür 
kei abzufallen und sich selbst zum unabhängigen Herrscher von 
Ägypten auszurufen. Der aufrührerische Würdenträger begann da 
mit, daß er dem Pächter der Münze von Kairo, Abraham de Gastro, 
den Befehl gab, die Münzen nicht mehr mit dem Namen des Sul 
tans, sondern mit seinem, dem des ägyptischen Statthalters, zu ver 
sehen. Abraham de Castro durchschaute sofort die weiteren Absich 
ten des Pascha und eilte nach Konstantinopel, um über die geplante 
Umwälzung Bericht zu erstatten. Dadurch gerieten die ägyptischen 
Juden in größte Gefahr. Für ihre Ergebenheit dem Sultan gegenüber 
legte ihnen nämlich Achmed Pascha eine schwere Kontribution auf; 
als ihm das Geld zum festgesetzten Termin nicht ausgehändigt wurde, 
ließ er die Vorsteher der Gemeinde von Kairo in Ketten legen und 
schwor, alle ortsansässigen Juden dem Tode preiszugeben. Ehe jedoch 
3 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. VI
	        
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