Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

Das autonome Zentrum in Polen 
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Juden in den ersten Jahrzehnten des XVII. Jahrhunderts in den 
Großstädten den Kampf ums Dasein führen mußten. Die immer un 
sicherer werdende Lage hatte eine für jene Zeit überaus bezeichnende 
Erscheinung zur Folge: die Übersiedlung vieler jüdischer Familien 
aus den Städten auf das flache Land, auf die Besitztümer der Pa- 
nen 1 ). Mit der fortschreitenden Einengung der Wirksamkeitssphäre 
der Juden in den Städten wenden sie sich in immer steigendem 
Maße den verschiedenen Zweigen der Landwirtschaft zu, in der sie 
sich als Pächter betätigen. So werden die jüdischen Dorfkolonien 
(„Jischuwim“), die wirtschaftlich mit den Gutsbesitzern und der 
Bauernschaft, geistig aber mit den jüdischen Gemeinden in den 
nächstgelegenen Städten in enger Verbindung standen, im Laufe der 
Zeit immer zahlreicher. Diese gleichmäßigere Verteilung der jüdi 
schen Bevölkerung auf Stadt und Land sollte ihr nur zum Vorteil 
gereichen und ihr für eine Zeitlang größere wirtschaftliche Wider 
standsfähigkeit verleihen. 
§ 37. Am Vorabend der Krise (Wladislaw IV., 1632—16U8) 
Der Sohn und Nachfolger Sigismunds III., Wladislaw IV., stand 
sowohl in seinem katholischen Eifer wie in seiner Vorliebe für die 
Jesuiten hinter seinem Vater weit zurück. Er brachte den Dissidenten 
eine gewisse Duldsamkeit entgegen, war bestrebt, den Juden ihre 
alten Privilegien zu erhalten, und ging überhaupt auf eine Aus 
söhnung der miteinander hadernden Stände aus. Die ständischen und 
konfessionellen Gegensätze waren jedoch im Staate bereits so tief 
eingewurzelt, daß sie auch von einem tatkräftigeren König als Wla 
dislaw IV. wohl kaum noch hätten überbrückt werden können. Statt 
die entgegengesetzten Interessen miteinander in Einklang zu bringen, 
schlug sich der König bald zu der einen, bald zu der anderen der sich 
befehdenden Parteien. Im Jahre i633 erteilte Wladislaw IV. auf dem 
Krönungssejm allen altverbrieften Privilegien der Juden seine Sank 
tion, sicherte ihnen Handelsfreiheit zu, untersagte den Magistraten, 
den privilegierten jüdischen Gerichtsstand zu verletzen und sie vor 
1 ) Zwar waren die Juden bei der Pachtung von Schlachtagütern in den Zen 
tralgebieten von Posen und Krakau kraft eines alten Sejmgesetzes stark behin 
dert, doch konnten sie sich in den übrigen Provinzen, namentlich in Rotr.ußland, 
der Ukraine und Litauen, nach wie vor als Gutspächter betätigen.
	        
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