Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (6, Die Neuzeit ; Erste Periode / 1927)

Humanismus und katholische Reaktion in Italien 
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Kirche mitsamt dem päpstlichen Throne und der verruchten Inqui- 
sition unter den Hammerschlägen Martin Luthers unweigerlich ein- 
stürzen müsse. 
So tragisch gestaltete sich das Ende dieser eigenartigen „zioni 
stischen“ Bewegung des XVI. Jahrhunderts, einer Bewegung, in der 
mit messianisch-mystischen Stimmungen politische Aspirationen, mit 
schwärmerischem Sehnen kühle Berechnung und diplomatische Win 
kelzüge verwoben waren. Auf den kurzen Augenblick flimmernder 
Hoffnung folgte die lange Nacht grenzenloser Verzweiflung, auf 
den durch künstliche Reizmittel erzwungenen Aufschwung schwer 
ster Zusammenbruch. Die Leiden des Galuth wurden aber immer 
brennender, immer unerträglicher . . . Die katholische Reaktion war 
im Anmarsch. 
§ 12. Die katholische Reaktion und die Schreckensherrschaft des 
Papstes Paul IV. 
In der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts sollten die italieni 
schen Juden, denen das Schicksal im Mittelalter mehr oder weniger 
gnädig gewesen war, nun gleichfalls das gerüttelt volle Maß der 
Märtyrerleiden auskosten. Durch die raschen Fortschritte der Re 
formation in Harnisch gebracht, breitete die katholische Reaktion 
ihre schwarzen Flügel über ein Land aus, auf dem noch der letzte 
Abglanz der Epoche des Humanismus ruhte. Das seiner geistigen 
Herrschaft über einen bedeutenden Teil Europas verlustig gegangene 
Papsttum spannt nunmehr seine ganze Kraft an, um wenigstens die 
noch in seiner Obhut stehenden Überreste der betreuten Herde vor 
der hereinbrechenden Sintflut zu retten. Der neu entstandene Jesu 
itenorden gewinnt für die katholische Reaktion dieser Zeit dieselbe 
Bedeutung, wie sie im XIII. Jahrhundert für die streitbare Kirche 
der Dominikanerorden besessen hatte. Die Mitglieder der „Gesell 
schaft Jesu“ erfinden die raffiniertesten Mittel zur Bekämpfung der 
Gedanken- und Gewissensfreiheit und reißen den mächtigsten Hebel 
der Kultur an sich: die Erziehung der Jugend. Die erbitterte päpst 
liche Gewalt führt in den von ihr beherrschten italienischen Landes 
teilen zur Unschädlichmachung „der ketzerischen Verruchtheit“ 
(contra haereticam pravitatem) die sogenannte „Generalinquisition“ 
ein. Das im Jahre i542 in Rom in Funktion getretene oberste In 
quisitionstribunal (das berühmte „Sanctum officium“) setzt der ge
	        
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