Die kleineren Zentren und Kolonien im XIII. Jahrhundert
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Diese waren freilich anderer Ansicht, doch mochten sie ihrerseits zu
frieden gewesen sein, daß man sie wenigstens in Ruhe ließ.
Nur die aus den großen Diasporazentren eintreffenden Nachrich
ten brachten in das Leben der römischen Gemeinde Unruhe und Be
sorgnis. Es pflegten nämlich nach Rom von überallher jüdische Ab
ordnungen zu kommen, um mit dem Beistand ihrer „dem Throne
nahestehenden“ Brüder den Papst zur Milderung neu angeordneter
Repressalien, zur Dispensierung vom Tragen des vorgeschriebenen
Kainsmals oder zur Abwendung der durch die Ritualmordprozesse
her auf beschworenen Gefahren zu bewegen. Diese flehentlichen Bitten
um Hilfe waren besonders häufig zur Zeit Gregors IX. zu vernehmen,
als die Inquisition gegen die Ketzer zu wüten begann und die Domini
kaner die Inquisitionsmethoden auch gegen das jüdische religiöse
Schrifttum in Anwendung brachten. Die Pariser Talmudverbrennung
nach der Disputation vom Jahre 12^0 erschütterte aufs tiefste die
römische Gemeinde, die aus diesem Anlaß, wie erwähnt, sogar einen
alljährlichen Fasttag festsetzte. In dem Religionskodex („Schibbole
haleket“) eines italienischen Rabbiners jener Zeit, Zedekia ha’Rofe,
finden wir in dem auf die Fasttage bezüglichen Teil die folgende
Notiz: „In unseren Tagen wurde um unserer großen Sünden willen
die Thora unseres Gottes den Flammen preisgegeben. Im Jahre 5oo4
der Welt, am Freitag des Wochenabschnitts Chukath (17. Juni 12 44)
gingen in Frankreich, wie wir dies von den dortigen Rabbinern gehört
haben, vierundzwanzig Fuhrenladungen Talmudbücher, Halacha- wie
Haggadaschriften, in den Flammen auf“. In einer der damals in Italien
gedichteten synagogalen Elegien wendet sich der Verfasser an Gott
mit dem bitteren Vorwurf: „Sogar die Verbrennung der Gebeine des
Königs von Edom (Arnos 2, 1) ließest du einst nicht ungesühnt, soll
denn nun ungestraft bleiben, was man an deiner heiligen Lehre ver
brochen?“ Eine andere aus der gleichen Zeit stammende Elegie legt
die Vermutung nahe, daß auch in Rom selbst ein freventlicher An
schlag auf das jüdische Schrifttum nicht ausgeblieben war: die „Se-
licha“ erwähnt Thorarollen, die im Hause Gottes in Stücke gerissen
und mit einem Messer zerschnitten worden sind. Vereinzelte Gewalt
taten lagen gewiß im Bereiche der Möglichkeit, da um jene Zeit die
Dominikaner in Rom heimisch geworden waren, und der Ordens
bruder Nikolaus Donin, der Urheber des Pariser Autodafe, es wohl