Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIII. Jahrhundert 
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ortsansässigen Juden wegen Gelddifferenzen verfeindeten Bürger 
machten sich die Gelegenheit zunutze, warfen sich zu Rächern für 
das angeblich geschändete Heiligtum auf und überfielen ihre Wider 
sacher, die sie nicht nur ausplünderten, sondern zum Teil auch nieder 
metzelten. Dem König riß endlich ob der systematischen Plünderung 
seiner Kammerknechte die Geduld und er beschloß, den Mordbren 
nern gegenüber keine Milde mehr walten zu lassen. Seine Heeres 
truppen schlossen die Stadt ein und drohten, sie dem Erdboden gleich 
zumachen; nur die Fürsprache des bischöflichen Stadtherrn hielt Al- 
brecht von seinem Vorhaben zurück und bewog ihn, sich mit einer 
von Geistlichkeit und Bürgerschaft erlegten Kontribution zufrieden 
zu geben. Die gottesfürchtigen Christen verfluchten den „gottlosen“ 
Gönner der Juden, und als Albrecht I. bald darauf ermordet wurde 
(1307), erblickte das Volk hierin eine gerechte Strafe Gottes für das 
gegen die treuen Söhne der Kirche mit den Ungläubigen eingegangene 
Bündnis. 
Der zwischen der weltlichen und geistlichen Gewalt wegen der 
Juden entbrannte Zwist griff auch auf jenes Österreich benachbarte 
Land über, in dem die charakteristischen Züge der mittelalterlichen 
Lebensordnung erst im XIII. Jahrhundert deutlich hervortraten. In 
diesem Lande, in Ungarn, wo unte’r den Christen kompakte Massen 
von Andersgläubigen: Muselmanen, Juden und sogar Heiden, ansässig 
waren, mußte auch der Gegensatz zwischen den kirchlichen und den 
staatlichen Interessen viel schärfer zutage treten als in Ländern mit 
einer weniger bunten Bevölkerung. Während nämlich die von nüch 
ternem staatspolitischen Geiste beseelten ungarischen Könige den An 
dersgläubigen volle Duldsamkeit entgegenbrachten und ihre wirt 
schaftliche Leistungskraft dem Staate dienstbar zu machen suchten, 
stellten die Kleriker (außer einigen an dem Gedeihen der Juden in 
ihrem Machtbereiche persönlich interessierten Kirchenfürsten) sowie 
die mit den Andersgläubigen wetteifernden christlichen Stände jedes 
den Nichtchristen verliehene Privileg als eine Gefahr für den heiligen 
Glauben hin. Da den ungarischen Juden die Schrecken der Kreuzzüge 
erspart geblieben waren (Band IV, § 37)., wuchs ihre Zahl durch die 
Zuwanderung aus dem Westen unausgesetzt an, so daß sie schon im 
XII. Jahrhundert eine den Landesherren unentbehrlich gewordene 
wirtschaftliche Macht darstellten. Gleich den Königen von Kastilien 
und Aragonien waren auch die ungarischen Könige aus der Arpaden-
	        
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