Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

§ 10. Der alte und der neue Glaube 
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Unterschied der Auffassungen vor allem auf dem Gebiete der sozialen 
Ideale zum Ausdruck. 
Das große Unglück, das über das jüdische Volk nach der Zer 
störung von Jerusalem hereinbrach, war den Sektierern (die während 
der Belagerung aus Jerusalem nach Pella, einer hellenisierten Stadt 
im Herrschaftsbereich Agrippas II., geflüchtet waren) eine neue Be 
stätigung dafür, daß das Ideal eines nationalen Messias nunmehr vor 
dem Ideal eines universalen „Heilands“ oder „Erlösers“ zurückzu 
treten habe. Etwas später brachte einer der Evangelisten diese Stim 
mung der Christen dadurch zum Ausdruck, daß er Christus die fol 
gende Weissagung in den Mund legte: „Jerusalem, Jerusalem, die 
du tötest die Propheten (des neuen Glaubens) und steinigst, die zu 
dir gesandt sindl . . . Siehe, euer Haus (Tempel) soll euch wüst 
gelassen werden“ (Matth. 2 3, 37—38). In der Zerstörung der Haupt 
stadt und des Tempels erblickten die Judenchristen eine Strafe Gottes 
für den von den Volksführern geleisteten Widerstand gegen die Aus 
breitung des neuen Glaubens. So trieben sie denn auch nach Be 
endigung des Krieges in diesem Sinne ihre Propaganda unter dem 
gemeinen Volke in Galiläa, Trans Jordanien und Judäa. Manches in 
der Lebensführung der Sektierer mußte auf den Mann aus dem Volke 
anziehend wirken: er fand Gefallen an dem unter ihnen herrschen 
den Geist der Brüderlichkeit, an ihrer schlichten Lebensführung, an 
ihrer Verachtung des Reichtums und ihrer Hochschätzung der Ar 
mut. (Eine Gruppe von Judenchristen war unter dem Namen Ebioni- 
ten } d. h. Arme, Bettler, bekannt.) Auch hatten sich die Häupter der 
Sekte bei den abergläubischen Massen den Ruhm von wundertätigen 
Heilkünstlern erworben, die böse Krankheiten durch Beschwörung 
und ähnliche geheimnisvolle Zauberkünste zu heilen wußten. Es kam 
vor, daß auch Leute aus gebildeten Kreisen der Versuchung, sich 
von solchen Heilkünstlern kurieren zu lassen, nicht zu widerstehen, 
vermochten. So wollte ein Verwandter des Gesetzeslehrers Rabbi 
Ismael, ein gewisser Ben Dima, der von einer Schlange gebissen wor 
den war, einen Wundertäter aus der Mitte der Judenchristen, Jakob 
aus Kephar-Sakanja, der bei der Heilung von Krankheiten eine Be 
schwörung im Namen Jesu zu sprechen pflegte, um Hilfe angehen; 
die Angehörigen des Kranken hielten ihn jedoch von diesem Vor 
haben zurück. Mit demselben Jakob, anscheinend einem der Häupter
	        
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