Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

Drittes Kapitel 
Das geistige Leben zur Zeit des 
Synhedrion von Jabne 
( 7 3_ t 35) 
§10. Der alte und der neue Glaube 
Der die beiden politischen Katastrophen — den Fall Jerusalems 
und den Fall Betars — trennende Zeitraum von 70 Jahren war eine 
Epoche tiefer geistiger Gärung sowohl in Judäa als in der Diaspora. 
Eine neue Macht stellte sich zwischen das Judentum und das Heiden 
tum — das Christentum, in dem die Juden ein maskiertes Heidentum, 
die rechtgläubigen Heiden dagegen ein maskiertes Judentum erblick 
ten. Noch war diese neue Macht nicht bedeutend genug, noch machte 
sie sich auf dem weiten Kampffeld der Kulte und Kulturen inner 
halb des römischen Reiches nur wenig bemerkbar, und doch spielte 
sie schon jetzt die Rolle eines Gärstoffes, der im Stillen eine noch 
nicht absehbare Umgestaltung der heidnischen Welt vorbereitete. Das 
Christentum hatte zu jener Zeit die Schranken einer Sekte noch nicht 
gesprengt, und nur ganz verschwommen traten die Grundzüge der 
in Bildung begriffenen Kirche hervor. Vor den Augen der jüdischen 
Diaspora erblühte allmählich jener Zweig des Christentums, den der 
„Apostel der Heiden“, Paulus, von dem jüdischen Stamme losgerissen 
hatte. In Syrien, Kleinasien, Griechenland und in Rom selbst wurden 
die aus einem Gemisch von Griechen, Römern und assimilierten Ju 
den bestehenden Sektierergemeinden immer zahlreicher. Der neue 
Glaube zog die Geister gerade durch das von ihm dargebotene Kom 
promiß zwischen Heidentum und Monotheismus an: durch die den 
antiken Vorstellungen so nahekommende Idee des Gottmenschen einer 
seits und durch die Ablehnung der nationalen Zucht des Judaismus 
andererseits. Jm II. Jahrhundert waren die Beziehungen der außer
	        
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