Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

§ 6. Rabbi Akiba und seine Mitstreiter 
allen diesen Sagen dringt ein Widerhall jener religionsphilosophischen 
Gespräche zu uns, die um jene Zeit nicht selten zwischen jüdischen 
Denkern und den gebildeten Vertretern der griechisch-römischen Welt 
oder christlichen Sektierern stattgefunden haben mochten!). 
Der Patriarch Gamaliel II. lebte und wirkte auch noch unter 
Trajan, scheint aber die Aufstände in der Diaspora, die in das Ende 
der Regierungszeit dieses Kaisers fallen, nicht mehr erlebt zu haben. 
Auf seinem Sterbebette sprach Gamaliel den Wunsch aus, man möge 
ihn ohne jeden Prunk, in allereinfachstem Leichengewande zu Grabe 
tragen. Seine letztwillige Verfügung wurde beispielgebend. Ehedem 
war es üblich, die Verstorbenen durch prunkvolle Leichenbegängnisse 
zu ehren. Dieser Brauch hatte sich so sehr im Volke eingebürgert, 
daß Unbemittelte wegen der mit der Leichenbestattung verbundenen 
Kosten ihre Heimgegangenen manchmal unbestattet ließen, die Sorge 
um deren Begräbnis der Gemeinde überlassend. Nachdem jedoch der 
Patriarch mit dem Beispiel vorangegangen war, wurde es Brauch, die 
Leichenfeier in schlichter Weise zu begehen und die Toten in wei 
ßem Leichentuch und ohne Sarg in der Erde zu bestatten. 
§ 6. Rabbi Akiba und seine Mitstreiter 
Unter den für die Sache der nationalen Restauration wirkenden 
Mitgliedern des Synhedrion zu Jabne gewann zu Beginn des II. Jahr 
hunderts Rabbi Akiba, der, wie erwähnt, bereits an der nach Rom 
geschickten Gesandtschaft teilgenommen hatte, ausschlaggebenden 
Einfluß. Die außerordentliche Volkstümlichkeit, die sich dieser na 
tionale Führer allmählich erworben hatte, machte ihn schließlich 
zum Helden der Volkslegende. Die Überlieferung berichtet, daß Akiba 
ben Joseph in seiner Jugend sehr arm war und als Hirte auf den 
Gütern jenes reichen Jerusalemer Bürgers Kalba-Sabua lebte, der am 
Vorabend der Belagerung Jerusalems Lebensmittelvorräte zur Versor 
gung der Stadtbevölkerung angehäuft hatte (Band II, § 86, Anm.). 
Dessen Tochter Rahel gewann den armen Hirten lieb und war unter 
der Bedingung, daß er sich der Wissenschaft widme, bereit, seine 
Gattin zu werden. Doch der Vater Rahels, dem diese Ehe gegen sei- 
!) Eine der Antworten, die Gamaliel einem Heiden gab, ist besonders treffend: 
„Du siehst deinen Gott, doch wirst du von ihm nicht gesehen; ich aber sehe mei 
nen Gott nicht, doch sieht er mich. Dein Gott ist dein eigenes Werk, ich aber bin 
das Werk meines Gottes“ (Jalkut Tehillim, 857). 
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