Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

Die Diaspora und das Zentrum in Babylonien 
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hörigen der ihm verhaßten Nation nicht irgendeine Unbill wider 
fahren ist. 
Unter dermaßen schwierigen Verhältnissen, bei dem unvermeid 
lichen Kampf gegen zwei Fronten — einerseits gegen die fremde Um 
welt und andererseits gegen das angriffslustige Christentum — ver 
mochten die jüdischen Gemeinden in Nordafrika nur mit Mühe ihre 
religiöse Freiheit und ihre innere Autonomie zu erhalten, doch reich 
ten ihre Kräfte nicht mehr dazu aus, ein selbständiges geistiges Zen 
trum, eine zentrale, autonome, alle Gemeinden zu einem großen na 
tionalen Verband zusammenschließende Organisation ins Leben zu 
rufen. Diese Aufgabe in der Diaspora zu vollbringen war um diese; 
Zeit einzig und allein Babylonien berufen. 
§ 26. Das parthische und neupersische Babylonien 
Das uralte Land zwischen Euphrat und Tigris, die Wiege der mor 
genländischen Kultur, wo im Morgengrauen der Weltgeschichte die 
hebräischen Stämme den Märchen ihrer ersten Kindheit lauschten, 
wo späterhin die Gefangenen Judäas „saßen und weinten, wenn sie 
Zions gedachten“ — dieses Land sollte im III. Jahrhundert der christ 
lichen Ära zu einem der bedeutendsten Kulturzentren des zerstreu 
ten Volkes werden. Sieben Jahrhunderte waren bereits seit der Zeit 
verstrichen, da die nach Babylonien verschleppten Judäer unter Kyros 
in ihre Heimat zurückkehrten, einen Teil ihrer Stammesbrüder als 
Kolonie im „Lande des Exils“ zurücklassend. Diese Kolonie, gleich 
sam die Mutter der Weltdiaspora, gedieh und entfaltete sich abseits 
von der lärmerfüllten Bühne der Weltgeschichte und wurde von den 
großen politischen Umwälzungen, durch die die Schicksale Vorder 
asiens in den folgenden Jahrhunderten bestimmt wurden, verhältnis 
mäßig wenig berührt. Während die altpersische Achämenidenherr- 
schaft hier zunächst der griechisch-syrischen Obergewalt Platz ma 
chen mußte (312 v. d. ehr. Ära), die dann wieder von der Herrschaft 
der Parther abgelöst wurde (um die Mitte des zweiten vorchristlichen 
Jahrhunderts), konnte sich die Judenheit Babyloniens ununterbrochen 
weiter entwickeln, indem sie ihre nationale Kultur aufs sorgfältigste 
behütete und ihre geistige Gemeinschaft mit der Metropole in Judäa 
auch fernerhin aufrecht erhielt. Als einziges Erbgut der griechischen 
Kultur der Seleucidenepoche blieb den babylonischen Juden nur die
	        
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