Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

Die Diaspora und das Zentrum in Babylonien 
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das jüdische Alexandrien seiner Bedeutung als geistiges Zentrum 
gänzlich verlustig. Noch spielt es als ein wichtiges Handels- und In 
dustriezentrum der Mittelmeerküste eine Rolle, doch laufen ihm auch 
hierbei die benachbarten Kolonien des nordafrikanischen Küstenstri 
ches bald den Rang ab. Unausgesetzt hält die Emigration der Juden 
aus Ägypten nach den anderen römischen Provinzen Nordafrikas an 
und führt zur Bildung bedeutender Siedlungen in Tripolitanien, 
Mauretanien und Numidien (in den späteren Algerien, Tunis und 
Marokko). Zwischen dem II. und IV. Jahrhundert entstehen festge 
fügte Gemeinden mit Synagogen, besonderen Bestattungsstätten (Ne 
kropolen), mit Archonten und synagogalem Amtspersonal in den 
Städten Karthago, Utika, Naro und dem mauretanischen Caesarea. 
Davon zeugen die an diesen Orten bei den Ausgrabungen vielfach auf 
gefundenen Inschriften auf Grabdenkmälern und sonstigen Altertums 
überresten 1 ). Von dem inneren Leben dieser Gemeinden erfahren wir 
aus den Berichten der zu jener Zeit dort tätigen Kirchenschriftsteller, 
die für die Verbreitung des Christentums in Nordafrika wirkten. 
Schon früh wurde Nordafrika zum Schauplatz des Kampfes zwi 
schen Christentum und Judentum. Den Feldzug gegen die afrikani 
schen Juden eröffnete gegen Ende des II. Jahrhunderts der bereits 
erwähnte Tertullian (§ 2 4). Den leidenschaftlichen Eiferer der Kirche 
erfüllte der überhandnehmende Einfluß der jüdischen Gemeinde zu 
Karthago, die die Heiden mächtig anzog und so mit den kirchlichen 
Missionaren wetteiferte, mit Sorge. Tertullian verspottet nun die ju- 
daisierenden Heiden, die „den Tag des Saturn (den Sabbat) der Ruhe 
und üppigen Mahlzeiten widmen, der ihnen fremden jüdischen Le 
bensweise aber fernbleiben“. Er schildert unter anderem eine in 
Karthago zwischen einem Christen und einem zum Judentum über 
getretenen Heiden erfolgte Disputation. Man diskutierte die Frage, 
ob die Israel in der Bibel zuteil gewordenen Verheißungen auch in 
bezug auf Nichtjuden Geltung hätten. Der Jude stellte dies hinsicht- i) 
i) Die Inschriften sind zum größten Teil in lateinischer Sprache abgefaßt, 
doch kommen darin auch hebräische Wörter, so z. B. das Wort „Scalom“ = 
Friede, vor. Die Grabmäler sind nicht selten mit synagogalen Emblemen (mit 
siebenarmigen Leuchlern u. dgl.) verziert. Die Inschriften an den Mauern der 
Synagogen erwähnen oft die Ehrentitel der Gemeindevorsteher: Archisynagogus, 
pater synagogae u. dgl. Auch kamen hier aus dem II. und III. Jahrhundert 
stammende Tafeln zum Vorschein, die Beschwörungen von Dämonen im Namen 
Jahves, „des Gottes Isaaks, Abrahams und Israels“ enthalten.
	        
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