Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes im Orient (3, Orientalische Periode / 1926)

§ 22. Die Epigonen der Mischna und die Amoräer 
veranlaßt, eine Stellung anzunehmen, die seiner Gelehrtenwürde wenig 
entsprach: er bereiste nämlich Babylonien und andere Länder als ein 
Sendbote oder „Apostel“ mit dem Auftrag, die Spenden zugunsten 
des Patriarchen Jehuda III. einzusammeln. R. Ami und R. Assi waren 
nach dem Tode des Eleasar ben Pedath die Vorsteher der Akademie 
von Tiberias. Von ihnen heißt es, daß sie ihre Vorträge in einer 
„Synagoge mit Säulengängen“ (Kenischta debe amude) hielten, die 
sich anscheinend noch aus der Zeit Agrippas II. erhalten hat, als man 
in Tiberias die Bauweise der griechischen Tempel nachahmte. Beide 
Gelehrten führten den Titel „Richter des Landes Israel“ (Dajane 
de’Erez Israel) und standen dem Patriarchen als seine nächsten Be 
rater und Mitarbeiter zur Seite. Im Aufträge des Patriarchen bereisten 
sie zusammen mit Chija die Städte Palästinas, um die Volks- und 
Hochschulen zu inspizieren. Einst kamen diese drei Amoräer in eine 
Stadt, wo sie weder einen Gesetzeslehrer noch einen Volksschullehrer 
vorfanden. „Wo sind denn die Hüter der Stadt?“ — fragten die 
Amoräer. Da wurde ihnen die Stadtwache vorgeführt. „Die meinen 
wir nicht,“ riefen die Sendboten aus, „vielmehr meinen wir die Ge 
lehrten und die Lehrer, die dem Worte Gottes dienen, denn es steht 
ja geschrieben: Wenn Gott die Stadt nicht behütet, dann wacht ver 
geblich die Wache!“ 
Von den bedeutenderen Amoräern jener Zeit mag noch R. Abbahu 
aus Caesarea erwähnt werden. Auch er war ein Zögling der Schule 
Jochanans in Tiberias, doch zeichnete ihn im Gegensatz zu der Mehr 
zahl seiner Fachgenossen nüchtern-praktische Sinnesart und Gering 
schätzung der kleinlichen Schulkasuistik aus. Als Richter und Ge 
meindevorsteher hütete er sich, seine Entscheidungen auf Grund ab 
strakter akademischer Schlußfolgerungen zu treffen und zog es vor, 
sich an der lebendigen Erfahrung zu orientieren. In der Residenz des 
römischen Statthalters, in Caesarea am Meere, bestand um diese Zeit 
eine jüdische Gemeinde, die gegen Ende des III. Jahrhunderts zu % 
hoher Blüte gelangte und es bereits mit der Gemeinde von Tiberias 
aufnehmen konnte. Es bildete sich dort auch eine Akademie, deren 
Mitglieder uns im Talmud häufig unter dem Namen „Lehrer von 
Caesarea“ (Rabbanan de’Kisrin) entgegentreten. Diese Gemeinde fand 
nun in Rabbi Abbahu, einem Manne von weltlicher Bildung, der das 
Griechische beherrschte und im Kreise der römischen Würdenträger 
sich frei bewegte, ein würdiges Oberhaupt. Die Zeitgenossen betrach- 
11 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. III 
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