Volltext: Die alte Geschichte des jüdischen Volkes (2, Orientalische Periode / 1925)

§ 103. Der Apostel Paulus und der Bruch mit dem Judentum 
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war freilich der Begriff des einzigen Gottes, aber auch dieser wurde 
durch die Hinzunahme des Begriffes des zeitweilig Mensch geworde 
nen „Gottessohnes“ in seiner Schroffheit gemildert. Am schwersten 
fiel die Lossagung vom Götzendienst. 
Um den Heiden den Übertritt zu der neuen Religion noch mehr zu 
erleichtern, befreite sie der Apostel Paulus gänzlich von dem „Joche“ 
des jüdischen Gesetzes. Zu diesem Ende brachte er einerseits die Idee 
der „Auserwähltheit“ der jüdischen Nation als der Trägerin der wah 
ren Gotteserkenntnis zum Verschwinden und schuf andererseits den 
Gegensatz zwischen Glauben und Gesetz. Juden und Heiden, sagt er, 
sind in gleicher Weise „unter der Sünde“. Der Stolz der Juden, ihre 
heilige Thora, hat sie von der Sünde nicht nur nicht gereinigt, son 
dern sie noch tiefer in sie verstrickt. „Durch das Gesetz kommt Er 
kenntnis der Sünde“; „das Gesetz ist gekommen, auf daß die Sünde* 
mächtiger würde.“ Die religiöse Mission Israels hat mit dem Kommen 
des Messias — Christus — ein Ende genommen. Von nun ab ist das 
alte jüdische Gesetz außer Kraft gesetzt und an seine Stelle ist der; 
Glaube getreten. Der Mensch mag seine Seele nicht durch die Erfül 
lung der Thoravorschriften, sondern nur durch den Glauben an die 
neue christliche Offenbarung zu erlösen. „Der Mensch wird gerecht 
ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ „Nicht durch 
die Thora ist Abraham und seinem Samen die Verheißung geschehen, 
sie sollen der Erde Erbe sein, sondern durch die Gerechtigkeit des 
Glaubens.“ „Die Sünde wird nicht herrschen können über euch, sinte 
mal ihr nicht unter dem Gesetze seid, sondern unter der Gnade (des 
Glaubens).“ „Durch das Gesetz wird niemand gerecht vor Gott, denn 
der Gerechte lebt seines Glaubens . . . Der Messias hat uns von dqim 
Fluch der Thora erlöst.“ „So besteht nun in der Freiheit, zu der uns 
der Messias befreit hat, und lasset euch nicht wiederum in das 
knechtische Joch fangen 1 )!“ 
Diese Befreiung von dem „knechtischen Joch“ oder genauer von 
der Zucht des Gesetzes äußerte sich hauptsächlich in der von dem 
Apostel Paulus verkündeten Außerkraftsetzung der für die neubekehr 
ten Heiden besonders beschwerlichen Hauptbräuche des Judentums, 
vor allen Dingen — des Beschneidungsritus. Statt der „Beschneidung 
des Fleisches“ fordert er die symbolische „Beschneidung des Her 
1) An die Römer, 3, 9—28; 4 ; 13; 5, 20; 6, i4- An die Galater, 3, 
11—13; 5, 1.
	        
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