Volltext: Die alte Geschichte des jüdischen Volkes (2, Orientalische Periode / 1925)

Der Judaismus im Heimatlande und in der Diaspora 
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nahmen des Kaisers Tiberius (§ 68) wurde die römische Gemeinde 
unter dessen Nachfolgern wieder aufgebaut. Das Haupt der Gesandt 
schaft an Caligula, Philo von Alexandrien, scheint während seines 
Aufenthaltes in Rom mit den dortigen Juden in Verbindung gestanden 
zu haben. Unter Claudius und Nero mußte die Gemeinde viel unter 
den Verfolgungen leiden, denen dort die Anhänger des neugeborenen 
Christentums ausgesetzt waren (unten, §§96 u. io4). Wie es den rö 
mischen Juden in den Jahren des großen nationalen Krieges zumute 
gewesen sein mag, als alles ringsum von Wut gegen das „aufrühre 
rische Volk“ erfüllt war, und, als sie später bei dem Triumphzug des 
Vespasian und des Titus durch die Straßen Roms die Siegestrophäen, 
die Geräte aus dem eingeäscherten Tempel und die gefesselten Hel 
den zu Gesicht bekamen, kann man sich leicht denken. Die nationale 
Trauer mußte besonders schmerzlich in der jüdischen Kolonie der 
jubelnden Hauptstadt empfunden werden. Das einzige, was diese Ko 
lonie zur Erleichterung des Volkselends noch zu unternehmen ver 
mochte, waren die Bemühungen, möglichst viele der nach Italien in 
Gefangenschaft abgeführten oder in die Sklaverei geratenen Volks 
genossen loszukaufen. Die losgekauften Gefangenen oder Sklaven wur 
den zu Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Roms und verpflanzten 
so die nationalen Traditionen der zerstörten Heimat dahin. 
§ 95. Die Propaganda des Judaismus und die Proselyten 
Überaus bemerkenswert ist es, daß gerade in dem Jahrhundert 
des größten nationalen Antagonismus zwischen den Juden und den 
anderen Völkern zugleich in den verschiedenen Schichten der heidni 
schen Bevölkerung der stärkste Hang zur jüdischen Religion zutage 
trat. Darin kam die Wirkung jener Kräfte der Anziehung und Ab 
stoßung zum Vorschein, die gleichzeitig das Verhalten der antiken 
Welt zum Judaismus bestimmten. Vieles an der jüdischen nationalen 
Kultur war der griechisch-römischen Gesellschaft gewiß fremd. Auf 
reizend war die innere Abgesondertheit und Zurückhaltung des win 
zigen jüdischen Volkes den es umgebenden, auf ihre Bildung so stol 
zen Völkern gegenüber; verletzend war auch die Verachtung, mit der 
die Juden auf jede Art von Gottheitsdarstellung und auf den kompli 
zierten heidnischen Kultus überhaupt herabblickten, den die Griechen 
und Römer in einem so hohen Maße mit raffinierter Symbolik und
	        
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