Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

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XI. Jahrgang, Nr. 19. 
Linz, 1. Oktober 1906. 
Öberösterreichische Banzeitung 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“. 
Redaktion und Administration: Buchdruckerei C. KOLNDORFFER, LINZ, Domgasse Nr. 5, 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
/ ganzjährig mit K 20.- _ ( ganzjährig mit . K 16 
für die 
Provinz 
( halbjährig 
vierteljährig 
10 — 
5.— 
für 
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j halbjährig . 
I vierteljährig 
8 
Erscheint am 1. und 15. 
jedes Monat. 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Domgasse Nr. 5, ferner bei 
allen größeren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reklamationen und Beschwerden direkt an uns erbeten. 
Inhalt. Errichtung eines Asyls für Arbeiterinnen in Linz. — Die 
Zukunft fürs Handwerk. — Über Badeanstalten und Bäder (Schluß). — 
Lokale Baunotizen. — Vermischtes. — Patentliste. — Bücherschau. — 
Anmeldung für Wasserbezug aus dem städtischen Wasserwerke. — Aus 
weis über die Umschreibung von Immobilien in Linz. — Vergebung von 
Bauarbeiten und Lieferung von Baumaterialien. — Inserate. 
Errichtung eines Asyls für Arbeiterinnen 
in Linz. 
Zu den besten Institutionen, die unser an humanitären 
Bestrebungen so reiches Zeitalter zum Wohle der ar 
beitenden Klasse bisher geschaffen hat, zählt wohl auch 
die vor vier Monaten von der Marianischen Frauen 
kongregation in Linz ins Leben gerufene „Bahnhofmission“, 
eine Anordnung, welche zum Zwecke hat, auf den Bahn 
höfen in Linz und Urfahr zugereisten Mädchen oder 
Frauenspersonen, die in beiden Städten fremd sind, daher 
einer Orientierung bedürfen, mit Rat und Hilfe an die 
Hand zu gehen. 
Über die Tätigkeit dieser Mission haben erst kürzlich 
die Tagesblätter einen Ausweis gebracht, wonach im 
Monat August 15 Schutzfrauen auf den besagten Bahn 
höfen 161 mal den Schutzdienst versahen und dabei in 
137 Fällen Gelegenheit hatten, zugereisten Mädchen, 
Frauen und Kindern mündliche und schriftliche Aus 
künfte zu erteilen, sie an ihre Bestimmungsorte zu weisen, 
um sie der Gefahr zu entziehen, in schlechte Gesellschaft 
zu geraten. Welch edler Zweck dieser Bestrebung zu 
grunde liegt, wird wohl derjenige am besten zu würdigen 
wissen, dem die Moralität nicht schon ganz abhanden 
gekommen ist und der es für seine Pflicht hält, seinen 
Nebenmenschen bei Hilflosigkeiten beizustehen. 
Derartige Missionen bestehen in mehreren Städten des 
Auslandes schon seit längerer Zeit und zum Schutze der 
alleinstehenden weiblichen Arbeiterinnen wurde sogar 
schon vor Jahren in Stuttgart eine Anstalt errichtet, 
über deren Wirksamkeit und Einrichtung ein Freund 
unseres Blattes von dort folgendes berichtet. Diese An 
stalt nennt sich „Asyl für Arbeiterinnen“ und ist 
in dem gesündesten Stadtteile in der Ludwigsstraße er 
baut. Das königliche Haus wie Private haben zu diesem 
Zweck teils Summen geschenkt, teils geliehen und hat 
die Stadt selbst dem Verein den Bauplatz gratis über 
lassen. Ein vier Stock hohes Gebäude mit sieben Fenster 
Front ist die neue stattliche Herberge geworden. Im 
Souterrain befindet sich eine Volksküche, zu Seiten der 
selben Speisesäle. Im hohen Parterre liegt der Sitzungs 
saal des Komitees, die Garderobe, die Wohnung der Haus 
mutter und der luftige große Feierabendsaal. Die anderen 
drei Stockwerke enthalten je sechs Säle zu zwölf Betten, 
also Schlafstellen für 216 Arbeiterinnen. Zwischen den 
vier Betten erhebt sich eine Wand bis zur halben Höhe 
des Saales, so, daß nur immer vier Mädchen beisammen 
sind. Für diese ist ein Tisch, vier Stühle und ebensoviele 
Kisten vorhanden und sind letztere so eingerichtet, daß 
sie ihren Platz unter den Betten finden. Die Kleider 
schränke für die Mädchen sind in die Wände des Kor 
ridors eingelassen. Alle Einrichtungen sind auf möglichste 
Aufrechterhaltung der Ordnung abgesehen. Für Be 
heizung, Beleuchtung und Ventilation im ganzen Haus 
ist bestens gesorgt. 
Wir gehen nun auf die Hausordnung der Anstalt 
über, die in nachstehender Weise festgestellt ist: 
Für den geringen Preis von wöchentlich, nach un 
serem Gelde berechnet, 60 Heller, erhalten die Mädchen 
Bett und Bettwäsche und dürfen allabendlich ihre Feier 
stunden im wohldurchwärmten und beleuchteten Saale 
verbringen. Allabendlich wird die Herberge um zehn Uhr 
geschlossen und nach dieser Zeit findet kein Mädchen 
mehr Einlaß. Die meisten der Pfleglinge aber ziehen es 
vor, direkt nach dem Schluß der Fabriken nach Hause 
zu kommen, wo sie sich mit einer Handarbeit in dem 
B^eierabendsaal zusammenfinden und jeden Abend Be 
lehrung und Unterhaltung finden. An bestimmten Abenden 
der Woche übernehmen einige Damen des Vereins das Amt 
der Vorleserinnen und lesen den Mädchen aus guten lehr 
reichen Büchern vor; einmal in der Woche erhalten die 
Bewohnerinnen ordentlichen Rechnenunterricht, ein an- 
deresmal Gesangsunterricht. Am Sonntag findet ein Haupt 
gottesdienst statt. 
Die Ordnung des Hauses hält eine Hausmutter auf 
recht, die in demselben wohnt und allnächtig ihre Runde 
macht, um sich zu überzeugen, ob alle Bewohnerinnen, 
daheim sind. Das Amt einer solchen Hausmutter ist ein 
schönes, aber schweres; mit wieviel Widerwärtigkeiten 
hat sie zu kämpfen 1 Welche starke Willenskraft, welch 
Herz voll warmer Menschenliebe gehört zu solcher viel 
verzweigten Tätigkeit. Die materiellen Vorzüge, deren 
sich die Mädchen durch den Vorteil einer gesunden und 
geordneten Wohnung zu erfreuen haben, sind in die Augen 
fallend genug, denn wo fänden sie wohl bei den jetzigen 
Mietspreisen eine Aufnahme um so geringe Bezahlung? 
wo ein so sauberes Lager? wo einen so freundlichen 
Aufenthalt in den Abendstunden? Aber nicht nur des 
äußeren Vorteiles der Arbeiterinnen willen hat der Ver 
ein sein mühevolles Werk, das die größte Menschenliebe 
verlangt, begonnen, der sittliche Gewinn ist ihm die 
Hauptsache, er will die bisherigen Parias der menschlichen
	        
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