Volltext: VII. Jahrgang, 1902 (VII. JG., 1902)

VII. Jahrgang, Nr. 20. 
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Linz. 15. Oktober 1902. 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“. 
Redaktion und Administration: LINZ, Mozartstrasse 28. — Herausgeber und Verleger: EDUARD KORNHOFFER, 
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Man pränumeriert auf die ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
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für die 
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halbjährig 
10.— 
i vierteljährig 
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Loko 
I vierteljährig 
Erscheint am 1. und 15. 
Monat, 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Mozartstrasse 28, ferner bei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reklamationen und Beschwerden direkt an uns erbeten. 
Inhalt. Ein Wort im Interesse unserer Baubeamten. — Ein merk¬ 
würdiger Fortschritt' der Technik im Bauwesen. — Wasserleitungsröhren 
aus Eisenzement.— Beiträge zur Frage, der Erziehung des Handwerkers. 
— Aus den Gemeinderats-Sitzungen in Linz. — Lokale Baunotizen. — 
Patentliste. — Aus der Fachliteratur. — Offene Stellen. — Briefkasten. 
— Angesuchte Baulizenzen in Linz. — Anmeldungen für Wasserbezug 
aus dem städt. Wasserwerke. — Inserate. 
Ein Wort im Interesse unserer Baubeamten. 
Ein notwendiges Erfordernis für unsere Baubeamten 
ist nach unserem Dafürhalten noch viel zu wenig erkannt, 
weshalb es noch keine entsprechende Würdigung an mass¬ 
gebenden Stellen gefunden hat. Dies notwendige Erfor¬ 
dernis besteht darin, dass die Baubeamten auch die aus¬ 
ländische Baukunst durch eigene Anschauung eingehend 
kennen lernen. Die Bedeutung der Wohnung für das 
Familien- und Beisammenleben, für Sittlichkeit und 
Sitten macht es notwendig, dass diesem Teile des Kultur¬ 
lebens von Seite des Staates mittels dessen Organe nicht 
nur Aufmerksamkeit und durch Baugesetze Bevor¬ 
mundung zugewendet werde, sondern auch eine möglichst 
vielseitige Beachtung. — Zu dieser Vielseitigkeit — die 
aber keineswegs leicht zu übergehen wäre, vielmehr in 
Anbetracht der Aufgabe und des gestellten Zieles zur 
wenigstens höheren Notwendigkeit hier beigezählt 
werden muss — ■ gehört auch die, dass der Baubeamte 
ausreichende Kenntnisse gewinnt, wie es in anderen 
Kulturländern, im besonderen mit Wohnhäusern gehalten 
wird, was dort Rechtens und Brauch ist und was sich 
dort bewährt. Alles dies kann keineswegs aus Zeit¬ 
schriften und Büchern allein geschöpft werden. Denn 
erstens stellt das Schrifttum selten derartige Unmittel¬ 
barkeiten dar; . zweitens genügt nie bei praktischen 
Wissenschaften und technischen Kenntnissen das Wort 
in Schrift und Druck, sondern es muss unmittelbare 
Anschauung und Augenbelehrung hinzukommen. Jeder, 
der ein Amt darstellt, welches praktische Anwendung 
findet, jeder, dessen Anordnungen vermöge seines Amtes 
zur sich vollziehenden Tat werden, übt mehr oder minder 
auch eine diskretionäre Gewalt aus. Er ist immer noch 
angewiesen, trotz aller vorhandenen Vorschriften, teil¬ 
weise wenigstens nach eigenem Ermessen zu befinden 
und zu verfügen. So findet auch im Baufache das freie, 
unabhängige Urteil des Baubeamten seine Stätte,, un¬ 
geachtet er anderseits an Baugesetze, Polizei-Bauregle¬ 
ments und besondere Instruktionen sich zu halten hät. 
Ja, in diesen Gesetzen, Reglements und Instruktionen 
sind doch eigentlich schon die' selbständigen Anschau¬ 
ungen und die freien Urteile von Baubeamten enthalten, 
durch deren Mitwirkung jene entstanden, und in Kraft 
traten. Daraus möchte zur Genüge hervorgehen, dass 
das Urteil eines Baubeamten einer Aushölung bedürfe, 
welche sich weiter zu erstrecken hat als bloss auf das 
Nächste. Deshalb ist bedeutendes Gewicht darauf zu 
legen, dass sein Urteil geschärft und geläutert wird 
gerade durch Erfahrungen, welche in der Ferne und am 
Fremden gemacht werden. Daher geht unsere Forde¬ 
rung im Interesse der Bedeutung des Gegenstandes da¬ 
hin, dass die Baubeamten, besonders diejenigen, 
we 1 cho zu höheren Stellen berufen werden, 
durch Reisen ad hoc in Kulturstaaten ihre abschliessende 
Vorbereitung finden mögen. Es liegt in dieser Forderung 
keineswegs die Absicht, dass viel Fremdes, sofern es 
gut ist, mitgebracht werde, um heimisch zu werden. 
Am Ende hat jedes Land auch sein Eigentümliches in 
betreff der Bauten und der Wohnungsherstellungen, so¬ 
wie dies in bezug der Nahrung und Kleidung der Fall 
ist. Allein, was hiebei nicht hoch genug anzuschlagen 
ist und sich überhaupt durch kein anderes Mittel ersetzen 
lässt, ist die Schärfung des Urteils, die Erweiterung der 
Anschauung, die Bereicherung der Wahrnehmungen. 
Durch die Anstellung von Vergleichungen, welche auf 
das unmittelbare Anschauen folgt, wird an dem heimisch 
Besseren umso fester gehalten, aber auch die Lücken 
erkannt und das der Besserung und Aenderung be¬ 
dürftige anschaulich blossgestellt. Wie viel vermögen die 
einzelnen Wohnhäuser, und zwar gerade diejenigen, die 
von dem mittleren Bürgerstande bewohnt werden, einem 
mit offenem Blick betrachtenden Bautechniker zu er¬ 
zählen, wenn er in grosse Städte kommt. Hier kann 
man mit Recht sagen: Die Steine reden. Hunderte von 
Sachen müssen den zu diesem Zwecke reisenden Bau¬ 
techniker auf das innigste interessieren, die jür jeden 
anderen Reisenden gar keinen Gegenstand der Beachtung 
und Betrachtung abgeben können. Beispielsweise möchten 
wir folgende Punkte erwähnen: Das Baumateriale, die 
Art der Beförderung desselben beim Hochbau, Gerüste, 
Verhältnis des Hauses zur Hofgrösse, zur Strassenbreite, 
zur Mächtigkeit der sieh anschliessenden Hinterbauten, 
die Art der Durchfahrt, welche sanitäre, welche öko¬ 
nomische und welche Komfortvorrichtungen als integrie¬ 
render Teil des Wohnhauses getroffen und baulich aus¬ 
geführt werden, welche Reinigung das Haus und das 
Zubehör erfahren, wie für Lüftung gesorgt ist, wie das 
Strassenpflaster hergestellt wird, dessen Verbindung mit 
dem Bürgersteig und der Fundamentfront u. s. w. Als 
genereller Punkt ist noch hervorzuheben, dass sich der 
reisende; Bautechniker darüber instruiere, wie die Bau¬ 
polizeiordnung lautet, die vom Bauunternehmer zu be¬
	        
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