Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Seite 110. 
OBEROSTËRREICHISCHE BAUZEITUN G. 
Nr. 14. 
Schriftzeichen entsprechend, bethätigt. Die Maschine 
leistet alle Arbeiten, die man von einem geübten Setzer, 
verlangt. Trotz ihrer grossen Vorzüge hat aber diese 
Maschine absolut keine Aussicht, jemals in Praxis ver¬ 
wendet zu werden, da ihr Herstellungspreis die An¬ 
schaffung selbst für grosse Druckereien verbietet. Inter¬ 
essant ist es, dass das amerikanische Patentamt bei der 
Prüfung und Veröffentlichung des auf die Maschine er- 
theilten Patentes mit kolossalem Verluste hat arbeiten 
müssen, obgleich die ursprüngliche Anmeldung in drei 
selbständige Anmeldungen zerlegt worden ist. Die drei 
Patentschriften, umfassen nämlich nicht weniger als 
147 Seiten Text und 275 Blatt Zeichnungen, die das 
Patentamt für den reglementsmässigen Preis von 30 Cents 
an das Publicum abgeben musste. Das erste Patent wurde 
am 5. December 1882 angemeldet, während die Ertheilung 
am 15. October 1895 erfolgte. Die drei Patente zusammen 
haben nicht weniger als 448 Patentansprüche. 
Beim Stossen eines Bohrloches entstehen bekannt¬ 
lich ausserordentliche Schwierigkeiten, wenn die Bohrer¬ 
köpfe abbrechen und in dem Loche stecken bleiben. 
Selbst bei Anwendung des Diamantbohrverfahrens ist es 
oft mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden, 
derartige Hindernisse zu beseitigen. Wie wir erfahren, 
ist neuerdings von der Oberschlesischen Tiefbohr-Gesell- 
schaft Zöllner & Co. mit ausserordentlich gutem Erfolge 
ein Elektromagnet für diesen Zweck verwendet worden. 
In dem bei Ostroppa in der Nähe von Gleiwitz ge- 
stossenen Bohrloche brach der Bohrerkopf in etwa 
300 Meter Tiefe ab. Während dreier Wochen versuchte 
man, denselben mit bekannten Hilfsmitteln aller Art zu ' 
entfernen, aber weder liess er sich abbohren noch durch 
Greifer oder Zangen entfernen. Endlich entschloss man 
sich, die Elektricität, beziehungsweise den Magnetismus 
zu Hilfe zu nehmen. Man fertigte einen Stahlstab von 
l1/2 Meter Länge und 7 Centimeter Stärke an, den man 
mit einer einfachen Windung von isoliertem Kupferdraht 
umgab, durch welchen ein Strom aus einer kleinen 
Dynamomaschine geleitet werden konnte, die für gewöhn¬ 
lich zur Beleuchtung der Bohranlage diente. Mittelst 
eines einfachen Regulators konnte der Strom immer auf 
der gleichmässigen Stärke von 30 Ampère gehalten 
werden. Die Vorrichtung wurde in unmagnetischem Zu¬ 
stande bis zum tiefsten Punkte des Bohrloches nieder¬ 
gelassen und dann erst der Strom angestellt. Darauf zog 
man, fortwährenden Strom durch die Windungen leitend, 
den Elektromagneten wieder hoch, und derselbe brachte 
das abgebrochene ' Stück des Bohrers mit heraus. Da 
Unterbrechungen des regelrechten Bohrbetriebes infolge 
steckengebliebener Stücke des Bohrers ziemlich häufig 
sind, so dürfte sich dieses neue Mittel zum Entfernen der 
Hindernisse leicht einführen, zumal die Anlage und 
Betriebskosten verhältnismässig geringe sind. 
Eine neuartige Grefängnismauer. Geradezu genial 
zu nennen ist die Einrichtung, die der Leiter einer Straf¬ 
anstalt in der Näha von Adelaide (Südaüstralien) getroffen 
hat, um ein Entweichen seiner Pflegebefohlenen sicherer, 
als gewöhnliche Mauern es vermögen, zu verhindern. 
Natürlich ist das in Frage kommende Gefängnis von einer 
hohen Ziegelmauer umgeben, die aber trotz bester Be¬ 
wachung mehrfach von turnerisch begabten Sträflingen 
überklettert wurde. Da kam dem Director, der keinen 
seiner Schützlinge missen sollte, ein rettender Gedanke. 
Er liess eben auf der Mauer Ziegelsteine aufschichten, und 
zwar so, dass jeder Stein nur ganz lose mit einer schmalen 
Kante auf seinem Nachbarn auflag. Auf diese Weise 
wurde ein aus ebensoviel Löchern wie Steinen bestehender 
Aufbau geschaffen, der bei der leisesten Berührung 
zusammenstürzen musste. Versucht nun ein Gefangener 
die Mauern zu überklettern, so stürzt der lose Mauer¬ 
aufsatz entweder auf ihn, oder auf den gepflasterten Hof ; 
der durch den Sturz verursachte Lärm genügt dann 
schon, die Wache herbeizurufen. 
Was der Eisenbahnbetrieb kostet. Millionen fahren 
jährlich mit der Eisenbahn, ohne sich jemals zu überlegen, 
wie grosse Summen wohl die Betriebskosten eines Eisen¬ 
bahnzuges betragen mögen. In englischen Blättern ist 
vor einiger Zeit eine Aufstellung der durchschnittlichen 
Kosten eines Eisenbahnzuges veröffentlicht worden. Die 
Durchschnittskosten eines englischen Zuges betragen für 
die englische Meile (1*6 Kilometer) 2*55 Mark, sodass, wenn 
das Fahrgeld auf 8 Pfennige für die Meile berechnet wird, 
ein Zug mit weniger als 31 Passagieren einen Verlust 
für die Gesellschaft bedeutet. Freilich führen die meisten 
Züge eine weit grössere Zahl von Fahrgästen, doch liegt 
oft die Nothwendigkeit vor, Züge laufen zu lassen, die 
sich nicht rentieren, hauptsächlich in Gegenden mit 
dünnör Bevölkerung. Aber auf jeden Zug, der mit Verlust 
läuft, kommen Hunderte, die enormen Gewinn bringen. 
So z. B. die Strecke London-Edinburgh, deren Kosten 
für die Gesellschaft nur 1000 Mark pro Zug betragen. 
In diesen Zügen kann gewöhnlich auf 60 Durchreisende 
gerechnet werden, deren Fahrgeld ungefähr 2000 Mark 
beträgt — ein Reingewinn von 1000 Mark. Wenn man 
bedenkt, dass diese Züge mehrmals am Tage laufen, kann 
man ersehen, welch ausserordentlich grosse Einnahme 
eine einzige Strecke im Verlaufe von 12 Monaten bringen 
kann. Wenn man 60 Passagiere im Durchschnitt annimmt, 
wirft der Nachtzug von London nach Edinburgh über 
400.000 Mark im Jahre ab 1 Die längste Strecke in Gross¬ 
britannien würde etwa 1600 Kilometer lang sein. Ein Zug, 
der diese Strecke von Anfang bis zu Ende durchliefe, 
würde etwa 2700 Mark Kosten verursachen. Ein Zug von 
London nach Manchester kostet der Gesellschaft 500 Mark. 
Die Kosten des Postzuges zwischen London und Aberdeen 
(Schottland) betragen ausser den Steuern, die allein mehr 
als 60.000 Mark ausmachen, über 400.000 Mark pro Jahr. 
Das Geld für solche Ausgaben ist aber da. Eine einzige 
Eisenbahngesellschaft in England hat nicht weniger als 
1900 Millionen Mark Capital. Die Betriebsgesellschaften 
berechnen die Kosten eines Zuges pro Meile (englische) 
folgendermaßen: Kraftleistung 0'75 Mark, Wegebauten 
und Unterhaltung 0*50 Mark, Reparaturen und Material¬ 
ersatz 0*20 Mark, allgemeine Verkehrskosten 0'75 Mark, 
Steuern 0*22 Mark, sonstige Ausgaben 0*50 Mark. Alle 
diese Zahlen müssen für jeden Zug in Betracht gezogen, 
werden. Dabei sind darin noch nicht die Baukosten der 
Bahn eingerechnet, die natürlich kolossale sind. Jeder 
Zoll Eisenbahn in England hat im Durchschnitte 12 Mark 
gekostet; das ist l1^ Millionen Mark pro Kilometer. Die 
englischen Bahnen sind am theuersten, zweimal so theuer 
als die deutschen und mehr als dreimal theurer als die 
Eisenbahnen von Amerika. Die billigsten Schienenwege 
in der Welt besitzt Neu-Seeland, wo der Kilometer noch 
nicht 100.000 Mark kostet. Einige kurze Strecken in 
England haben besonders viel Baucapital verschlungen. 
Auf der Metropolitan Railway kostet ein einziger Kilo¬ 
meter acht Millionen Mark und das kleine Stückchen 
Bahn in London selbst zwischen dem Rathhause und der 
Aldgate Station hat beinahe 25 Millionen Mark gekostet.
	        
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