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OBEROSTEREEICHISCHE BAUZEIT™G.
Nr. 13.
Was sollen wir denn nun den Kindern in den Schul¬
gärten bieten? Yor allem das, was Stadtkinder nur selten
zu sehen bekommen. Die Kinder sollen sehen, wie das
Brot wächst, wie das Getreide am Halme aussieht, wie
es gesäet wird und wie es spriesst. — Diesen Anblick
bietet dem Kinde kein Stadtpark! Das Kind soll ferner
sehen, wie die verschiedenen Gemüsearten aus Samen
entstehen, wie sie heranwachsen und sich ausbilden ; es
soll aber auch den Baum kennen lernen, der uns mit
seinen Früchten erfreut und labt. Was nun im allgemeinen
die Nutz- und Zierbäume, die Nutz- und Ziersträucher
betrifft, so bieten geradezu unsere öffentlichen Gärten
eine reiche Fülle, und bedarf es nur des guten Willens,
so können Theile dieser Pflanzen den Schulen zum Unter¬
richte übermittelt werden. Dieser Vorgang wird auch
schon in den meisten grösseren Städten des Auslandes
eingehalten, wo ein eigener Diener den verschiedenen
Schulen die Pflanzentheile aus der Stadtgärtnerei zu
Unterrichtszwecken übermittelt. Ein bedeutendes Gewicht
ist auf die technisch verwertbaren, auf die Färbe-, Ge¬
spinst- und Oelpflanzen zu legen, denn in einer grösseren
Stadt stehen die entsprechenden Industrien enge neben¬
einander. Der Schulgarten der Hauptstadt eines Landes
ist das edelste Bindeglied unserer Kinderwelt mit der
Natur! Gönnen wir unserer Jugend den anregenden Ver¬
kehr mit der Pflanzenwelt, der gewiss belebender und
bildender auf die Jugend einwirken wird, als der Anblick
des modernen Städtelebens.
Bedauerlich ist es, dass bei unseren hauptstädtischen
Schulgebäuden so wenig Rücksicht auf Schulgärten ge¬
nommen wurde. Die meist zweistöckigen Gebäude um¬
geben einen Hofraum, der sich vermöge seiner Lage und
Eingeschlossenheit nur selten zum Anbaue irgend welcher
Culturpflanzen eignet. Diesem Umstände ist nur schwer
abzuhelfen, höchstens könnte dies bei der Wahl des
Platzes für künftige Neubauten geschehen, und es würde
durch die Rücksichtnahme auf einen Schulgarten auch
den sanitären Anforderungen an ein Schulhaus Genüge
geleistet werden. Sollten wir aber nicht danach trachten,
diese Ungunst der äusseren und inneren Verhältnisse
möglichst zu verringern oder auszugleichen?
Wir glauben, dass die Zeit nicht mehr ferne ist, wo
die Gemeinde-Vorstehungen grösserer Städte bei der Er¬
richtung von neuen Schulgebäuden Rücksicht auf die
Anlage von Schulgärten nehmen werden, denn die fort¬
schreitende Entwicklung unseres Unterrichtswesens fordert
es gebieterisch, dass die Jugend die Natur nicht bloss
aus den Büchern, sondern auch aus der Wirklichkeit
kennen lernen möge. Dazu sind die Schulgärten be¬
rufen, die heute bereits in deutschen Staaten eine wichtige
Rolle spielen und von allen hervorragenden Pädagogen
daselbst als unerlässliche Beigabe für das Unterrichts¬
wesen bezeichnet werden. o
Eine geschäftliche Unsitte.
In der „K. Z." wird die Frage erörtert, ob es zu¬
lässig ist, dass ein Baumeister, der die Ausführung eines
Baues für einen Bauherrn übernimmt, Rabatte, die ihm
die an den Baulieferungen betheiligten Geschäftshäuser
gewähren, für sich behält, oder ob er sie dem Bau¬
herrn muss zugute kommen lassen. Die Frage ist ver¬
schieden zu beantworten, je nachdem der Baumeister
als Unternehmer die Herstellung eines Baues oder
eines unbegrenzten Theiles eines Bauwerkes unter Zu¬
grundelegung eines Kostenanschlages so übernommen
hat, dass die Vergütung den Anschlag unter keinen
Umständen übersteigen darf, oder der Kostenanschlag
nur mit der Maßgabe zugrunde gelegt worden ist, dass
dadurch nur die Art der Bauausführung und ein un¬
gefährer Kostenanschlag geregelt werden sollen.
In dem ersteren Falle hat der Bauherr unter allen
Umständen eine feste Vergütung für die Ausführung des
Baues zu bezahlen, einerlei ob der Kostenanschlag sich
bei der Ausführung als richtig berechnet herausstellt oder
nicht; es ist selbstverständlich, dass in solchen Fällen
der Baumeister als Bauunternehmer während der Aus¬
führung auf eine Herabsetzung der einzelnen Anschlag¬
sätze Bedacht nehmen und die ihm zu dem Ende von
den liefernden Geschäftshäusern bewilligten Rabatte für
sich ebenso verwenden darf, wie er etwaige Ueber-
schreitungen des Kostenanschlages aus seiner Tasche
decken müsste, falls sie höher sind als der ein- für alle¬
mal festgesetzte Ausführungspreis.
Ist aber ein solcher fester Preis nicht verabredet,
muss der Bauherr die in Einzelfällen sich herausstellenden
Ueberschreitungen des lediglich nur als Anhalt bei der
Uebertragung der einzelnen Lieferungen ausgearbeiteten
und verabredeten Kostenanschlages bezahlen, so ist es
selbstverständlich, dass ihm auch die Rabatte zugute
kommen müssen, die der Baumeister als sein geschäft¬
licher Vertreter von den einzelnen Lieferungsgeschäften
bewilligt erhält. Denn der Baumeister ist bei solchen
Bauausführungen verpflichtet, unter allen Umständen
das Interesse des von ihm vertretenen Bauherrn nach
besten Kräften wahrzunehmen; er erhält dafür von diesem
entsprechende Vergütungen, für die der deutsche Archi¬
tektenverein feste und reichlich bemessene Sätze festge¬
stellt hat.
Der Baumeister würde sich dem Bauherrn gegen¬
über einer arglistigen Täuschung schuldig machen, wenn
er über diese Vergütung hinaus noch Gewinne von den
Lieferungsgeschäften einstecken und diese dem Bauherrn
gegenüber verschweigen wollte, wenn er beispielsweise
eine Ueberschreitung des Kostenanschlages berechnete,
wo diese schon durch die ihm bewilligte Einräumung
eines Rabattes wegfallen würde. Die Bewilligung solcher
Rabatte ist leider in unserem geschäftlichen Leben eine
sehr schlimme Geschäftsunsitte geworden, deren Be¬
kämpfung zum mindesten ebenso thatkräftig in die Hand
genommen werden müsste, wie der Kampf gegen die
ausgedehnten Creditgewährungen, deren Einschränkung
ein sehr wesentliches und vielfach völlig verkanntes
Verdienst der jetzt so stark angefeindeten Warenhäuser
ist. Diese ausgedehnte Rabattbewilligung artet vielfach
zur bedenklichstenUnlauterkeit des Geschäftsgewerbes aus.
Der solide Fabrikant und Kaufmann, der angemessene
und feste Preise für gute Waren berechnet, zieht viel¬
fach den kürzeren, weil ein unreeller Wettbewerber für
gleich gute oder schlechtere Waren zwar anscheinend
höhere Preise berechnet, aber durch Einräumung um so
grösserer Preisnachlässe um so leichter solche findet, die
sich täuschen lassen. Diese bedauerliche Unsitte ändert
jedoch nichts an der Rechtslage zwischen dem ausführen¬
den Baumeister und dem von ihm vertretenen Bauherrn.
Hier muss in den oben bezeichneten Fällen der ganze
Rabatt dem Bauherrn zugute kommen. Ein anständiger
deutscher Baumeister wird auch schwerlich je anders
gehandelt haben.