Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Seite 98. 
OBEROSTEREEICHISCHE BAUZEIT™G. 
Nr. 13. 
Was sollen wir denn nun den Kindern in den Schul¬ 
gärten bieten? Yor allem das, was Stadtkinder nur selten 
zu sehen bekommen. Die Kinder sollen sehen, wie das 
Brot wächst, wie das Getreide am Halme aussieht, wie 
es gesäet wird und wie es spriesst. — Diesen Anblick 
bietet dem Kinde kein Stadtpark! Das Kind soll ferner 
sehen, wie die verschiedenen Gemüsearten aus Samen 
entstehen, wie sie heranwachsen und sich ausbilden ; es 
soll aber auch den Baum kennen lernen, der uns mit 
seinen Früchten erfreut und labt. Was nun im allgemeinen 
die Nutz- und Zierbäume, die Nutz- und Ziersträucher 
betrifft, so bieten geradezu unsere öffentlichen Gärten 
eine reiche Fülle, und bedarf es nur des guten Willens, 
so können Theile dieser Pflanzen den Schulen zum Unter¬ 
richte übermittelt werden. Dieser Vorgang wird auch 
schon in den meisten grösseren Städten des Auslandes 
eingehalten, wo ein eigener Diener den verschiedenen 
Schulen die Pflanzentheile aus der Stadtgärtnerei zu 
Unterrichtszwecken übermittelt. Ein bedeutendes Gewicht 
ist auf die technisch verwertbaren, auf die Färbe-, Ge¬ 
spinst- und Oelpflanzen zu legen, denn in einer grösseren 
Stadt stehen die entsprechenden Industrien enge neben¬ 
einander. Der Schulgarten der Hauptstadt eines Landes 
ist das edelste Bindeglied unserer Kinderwelt mit der 
Natur! Gönnen wir unserer Jugend den anregenden Ver¬ 
kehr mit der Pflanzenwelt, der gewiss belebender und 
bildender auf die Jugend einwirken wird, als der Anblick 
des modernen Städtelebens. 
Bedauerlich ist es, dass bei unseren hauptstädtischen 
Schulgebäuden so wenig Rücksicht auf Schulgärten ge¬ 
nommen wurde. Die meist zweistöckigen Gebäude um¬ 
geben einen Hofraum, der sich vermöge seiner Lage und 
Eingeschlossenheit nur selten zum Anbaue irgend welcher 
Culturpflanzen eignet. Diesem Umstände ist nur schwer 
abzuhelfen, höchstens könnte dies bei der Wahl des 
Platzes für künftige Neubauten geschehen, und es würde 
durch die Rücksichtnahme auf einen Schulgarten auch 
den sanitären Anforderungen an ein Schulhaus Genüge 
geleistet werden. Sollten wir aber nicht danach trachten, 
diese Ungunst der äusseren und inneren Verhältnisse 
möglichst zu verringern oder auszugleichen? 
Wir glauben, dass die Zeit nicht mehr ferne ist, wo 
die Gemeinde-Vorstehungen grösserer Städte bei der Er¬ 
richtung von neuen Schulgebäuden Rücksicht auf die 
Anlage von Schulgärten nehmen werden, denn die fort¬ 
schreitende Entwicklung unseres Unterrichtswesens fordert 
es gebieterisch, dass die Jugend die Natur nicht bloss 
aus den Büchern, sondern auch aus der Wirklichkeit 
kennen lernen möge. Dazu sind die Schulgärten be¬ 
rufen, die heute bereits in deutschen Staaten eine wichtige 
Rolle spielen und von allen hervorragenden Pädagogen 
daselbst als unerlässliche Beigabe für das Unterrichts¬ 
wesen bezeichnet werden. o 
Eine geschäftliche Unsitte. 
In der „K. Z." wird die Frage erörtert, ob es zu¬ 
lässig ist, dass ein Baumeister, der die Ausführung eines 
Baues für einen Bauherrn übernimmt, Rabatte, die ihm 
die an den Baulieferungen betheiligten Geschäftshäuser 
gewähren, für sich behält, oder ob er sie dem Bau¬ 
herrn muss zugute kommen lassen. Die Frage ist ver¬ 
schieden zu beantworten, je nachdem der Baumeister 
als Unternehmer die Herstellung eines Baues oder 
eines unbegrenzten Theiles eines Bauwerkes unter Zu¬ 
grundelegung eines Kostenanschlages so übernommen 
hat, dass die Vergütung den Anschlag unter keinen 
Umständen übersteigen darf, oder der Kostenanschlag 
nur mit der Maßgabe zugrunde gelegt worden ist, dass 
dadurch nur die Art der Bauausführung und ein un¬ 
gefährer Kostenanschlag geregelt werden sollen. 
In dem ersteren Falle hat der Bauherr unter allen 
Umständen eine feste Vergütung für die Ausführung des 
Baues zu bezahlen, einerlei ob der Kostenanschlag sich 
bei der Ausführung als richtig berechnet herausstellt oder 
nicht; es ist selbstverständlich, dass in solchen Fällen 
der Baumeister als Bauunternehmer während der Aus¬ 
führung auf eine Herabsetzung der einzelnen Anschlag¬ 
sätze Bedacht nehmen und die ihm zu dem Ende von 
den liefernden Geschäftshäusern bewilligten Rabatte für 
sich ebenso verwenden darf, wie er etwaige Ueber- 
schreitungen des Kostenanschlages aus seiner Tasche 
decken müsste, falls sie höher sind als der ein- für alle¬ 
mal festgesetzte Ausführungspreis. 
Ist aber ein solcher fester Preis nicht verabredet, 
muss der Bauherr die in Einzelfällen sich herausstellenden 
Ueberschreitungen des lediglich nur als Anhalt bei der 
Uebertragung der einzelnen Lieferungen ausgearbeiteten 
und verabredeten Kostenanschlages bezahlen, so ist es 
selbstverständlich, dass ihm auch die Rabatte zugute 
kommen müssen, die der Baumeister als sein geschäft¬ 
licher Vertreter von den einzelnen Lieferungsgeschäften 
bewilligt erhält. Denn der Baumeister ist bei solchen 
Bauausführungen verpflichtet, unter allen Umständen 
das Interesse des von ihm vertretenen Bauherrn nach 
besten Kräften wahrzunehmen; er erhält dafür von diesem 
entsprechende Vergütungen, für die der deutsche Archi¬ 
tektenverein feste und reichlich bemessene Sätze festge¬ 
stellt hat. 
Der Baumeister würde sich dem Bauherrn gegen¬ 
über einer arglistigen Täuschung schuldig machen, wenn 
er über diese Vergütung hinaus noch Gewinne von den 
Lieferungsgeschäften einstecken und diese dem Bauherrn 
gegenüber verschweigen wollte, wenn er beispielsweise 
eine Ueberschreitung des Kostenanschlages berechnete, 
wo diese schon durch die ihm bewilligte Einräumung 
eines Rabattes wegfallen würde. Die Bewilligung solcher 
Rabatte ist leider in unserem geschäftlichen Leben eine 
sehr schlimme Geschäftsunsitte geworden, deren Be¬ 
kämpfung zum mindesten ebenso thatkräftig in die Hand 
genommen werden müsste, wie der Kampf gegen die 
ausgedehnten Creditgewährungen, deren Einschränkung 
ein sehr wesentliches und vielfach völlig verkanntes 
Verdienst der jetzt so stark angefeindeten Warenhäuser 
ist. Diese ausgedehnte Rabattbewilligung artet vielfach 
zur bedenklichstenUnlauterkeit des Geschäftsgewerbes aus. 
Der solide Fabrikant und Kaufmann, der angemessene 
und feste Preise für gute Waren berechnet, zieht viel¬ 
fach den kürzeren, weil ein unreeller Wettbewerber für 
gleich gute oder schlechtere Waren zwar anscheinend 
höhere Preise berechnet, aber durch Einräumung um so 
grösserer Preisnachlässe um so leichter solche findet, die 
sich täuschen lassen. Diese bedauerliche Unsitte ändert 
jedoch nichts an der Rechtslage zwischen dem ausführen¬ 
den Baumeister und dem von ihm vertretenen Bauherrn. 
Hier muss in den oben bezeichneten Fällen der ganze 
Rabatt dem Bauherrn zugute kommen. Ein anständiger 
deutscher Baumeister wird auch schwerlich je anders 
gehandelt haben.
	        
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