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Stellung. Er wirft sich wohl die Frage auf, wie es mög¬
lich sei, solche Massen von Eisen und Stahl in ein Gewirr
von Balken, Stäben und Streben aufzulösen, beziehungs¬
weise in so innige Verbindung zu bringen, dass der er¬
forderliche Grad von Sicherheit erreicht werde; von der
hierzu nothwendigen Exactheit aber erhält der Laie
schwerlich den richtigen Begriff. Ihm erscheint es un¬
glaublich, dass bei der Grösse der einzelnen Gonstructions-
glieder alles und jedes auf Millimeter stimmen müsse;
er erwägt nicht, dass die Uebertragung selbst winziger
Abweichungen vom mechanischen Resultate auf lange
Bauglieder, beziehungsweise auf das ganze zu bestellende
Feld sehr bedeutende Differenzen ergeben würde, wozu
noch die Einwirkungen der Temperatur als complicierender
Factor hinzukommen.
Die aussergewöhnliche Höhe mancher Brücken bauten,
ist vom technischen Standpunkte selbstverständlich irre¬
levant, wenn sie zur Steigerung des äusseren Effectes
wesentlich beiträgt. Ist die Brücke nicht nur sehr hoch,
sondern weist sie zugleich beträchtliche Spannweiten auf,
so vermittelt sie das Bild einer kühnen und grossartigen
Anlage in besonders wirkungsvoller Weise.
Aber dies sind ganz zufällige Momente; denn es gibt
Bauten dieser Art, welche, trotzdem sie im technischen
Sinne als Kunstwerke gelten müssen, den an sie zu
stellenden ästhetischen Anforderungen durchaus nicht
entsprechen. Auch das Bedürfnis mancher Constructeure
nach effectvoller Schaustellung muss vielfach der durch
örtliche Verhältnisse sich ergebenden Zwangslage ge¬
opfert werden.
Dies gilt vornehmlich von den amerikanischen und
neuerdings von einigen englischen Brückenbauten. Dort
waren die Riesenströme Mississippi und Missouri wie ge¬
schaffen, die Unternehmungslust und Leistungsfähigkeit
der Techniker herauszufordern. Zudem tritt durch das
Ueberwiegen praktischer Bedürfnisse das ästhetische
Moment m eisten theils ganz in den Hintergrund. Als ver¬
fehlt muss die Absicht bezeichnet werden, durch An¬
bringung sogenannter „künstlerischer Zuthaten" (Orna¬
mente, Maßwerke und dergleichen) das fehlende ästhe¬
tische Element zu ersetzen. Man verkennt hierbei den
angestrebten Zweck und gibt dem Bauwerke den Schein
von etwas anderem als es ist. Als Grundsatz hat zu
gelten : Decoriere die Construction, aber construiere
niemals eine Decoration. Ueberdies ist zu beachten, dass
das Zweckmässige bis zu einem gewissen Grade auch
schön sein kann, während die augenfällige Unzweck-
mässigkeit immer zugleich unkünstlerisch ist.
Was das Material anbelangt, so unterscheiden wir
Brücken von Eisen und Stahl. Eine Combination von
Stein und Eisen findet rücksichtlich der Gesammtanlage
einer Brücke in dem Falle statt, wenn das eiserne Trag¬
werk auf steinernen Pfeilern ruht. In Europa ist dies
der normale Typus, obwohl in letzter Zeit grosse Brücken¬
bauten ganz aus Eisen, beziehungsweise Stahl hergestellt
wurden. Der eiserne Brückenpfeiler hat seine weitest¬
gehende Anwendung in Nordamerika gefunden. Zwar
lehnte man sich hier ursprünglich an europäische Vor¬
bilder an, die örtlichen Verhältnisse aber, sowie das den
Amerikanern innewohnende Bestreben, selbst solche
Hindernisse, welche aller menschlichen Kraft zu spotten
scheinen, zu bewältigen, brachten diesen technischen
Zweig zu einer Entwicklung, welche wahrhaft staunen¬
erregend ist. Die Amerikaner haben es verstanden, durch
Herstellung von in sich selbst versteiften „Thurmpfeilern"
BAU ZEITUNG. Nr. 12.
Brücken in bedeutenden Höhen zu legen und diesen
Bauwerken trotz ihrer scheinbaren Gebrechlichkeit eine
grosse Stabilität zu verleihen. Die Krone aller amerika¬
nischen Brückenbauten bilden die eisernen Trestle Works,
wie solche besonders für die Eisenbahnen in der Union
t}^pisch geworden sind.
Nachstehender, vom Justiz ministèri uni ausge¬
arbeitete Gesetzentwurf bildet die Basis der in dieser
Angelegenheit zu veranstaltenden Enquete:
Gesetzentwurf, betreffend die Sicherstellung
der Bauforderungen.*)
§ 1. Die baubehördliche Bewilligung zum Neubaue
eines Wohngebäudes ist nach eingetretener Rechtskraft
von der Baubehörde dem Grundbuchsgerichte mitzutheilen.
§ 2. Das GrundbuchsgerLcht hat die Baubewilligung
im Grundbuche anzumerken (Bauvermerk). Bildet die
dem Baue gewidmete Liegenschaft nur einen Theil eines
Grundbuchskörpers, so ist dieselbe abzuschreiben und in
eigene Einlage einzutragen; bedarf , es zu dieser bücher¬
lichen Grundtheilung eines geometrischen Planes, so ist
derselbe auf Kosten des Grundeigentümers, zu beschaffen.
Das Grundbuchsgericht hat ferner die Feststellung des
Wertes der Baustelle unter Zuziehung der erforderlichen
Sachverständigen vorzunehmen. Hiezu sind nebst dem
Eigenthümer der Liegenschaft alle Personen, für welche
hierauf bürgerliche Rechte haften, behufs Wahrung ihres
Interesses zu laden.
Die Kosten der Wertermittlung hat der Eigenthümer
zu tragen.
Der rechtskräftig festgestellte Wert ist im Grund¬
buche ersichtlich zu machen.
Bevor der Baubehörde die erfolgte Berichtigung oder
Sicherstellung der in den iVbsätzen 1 und 3 erwähnten
Kosten nachgewiesen ist, darf der Bau nicht in Angriff
genommen werden, jedoch unbeschadet der etwaigen
vorgängigen Gestattung einzelner Bauarbeiten durch die
Baubehörde.
§ 3. Auch die baubehördliche Bewilligung zur Be¬
nützung des hergestellten Wohngebäudes ist von der
Baubehörde dem Grundbuchsgerichte mitzutheilen.
Das Grundbuchsgericht hat die Benützungsbewilligung
im Grundbuche anzumerken.
§ 4. Binnen zwei Monaten nach der bücherlichen
Anmerkung der Benützungsbewilligung sind alle unbe-
richtigten Bauforderungen unter genauer Angabe der
einzelnen Leistungen und ihrer Werte und unter Vorlage
der zu ihrer Bescheinigung dienenden Urkunden bei dem
Grundbuchsgerichte schriftlich oder mündlich zu Protokoll
anzumelden.
Als Bauforderungen gelten:
a) Die Geldforderungen, welche, den Baugewerbe¬
treibenden als Vergütung für Arbeiten zustehen, die sie
vertragsmässig für Rechnung des Grundeigenthümers zu
dem betreffenden Baue geleistet haben. Wofern der Grund¬
eigentümer die Bauführung einem hiezu berechtigten
Gewerbsinhaber mit der Ermächtigung übertragen hat,
den Bau für Rechnung des Eigentümers zu leiten, muss
diese Ermächtigung im Grundbuche angemerkt werden;
*) Wir verweisen unsere geehrten Leser auf den Artikel „Das
Vorzugspfandrecht für Bauforderungen" in letzter Nummer dieses Blattes.
Die Redaction.