Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

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IV. Jahrgang, Nr. 11. 
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Linz, 1. Juni 1899. 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Zeitschrift für Bauwesen. 
Redaction und Administration: LINZ, Mozartstrasse 28. — Herausgeber und Verleger: Eduard Kornhoffer. 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG : 
ganzjährig mit fl. 10. — „ < ganzjährig mit . fl. 8 
5.- Tfur halbjährig ... „4 
Loco . , , ' . 
2.50 l vierteljahrig . . „2 
für die j halbjährig . . 
Provinz . . ... . 
< vierteljahrig . 
Erscheint am 1 und 15. 
jedes Monat. 
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INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Oher¬ 
österreichischen Bauzeitung", Linz, Mozartstrasse 28, ferner hei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reclamationen und Beschwerden direct an uns erbeten. 
Inhalt. Ein Asyl für Obdachlose in Linz. — Das Yorzugspfandrecht 
für Bauforderungen. — Bauernkunst. (Scliluss.) — Aus den Gemeinderaths- 
Sitzungen in Linz. — Local-Baunotizen. — Briefkasten. — Offene Stellen. 
— Angesuclite Baulicenzen in Linz. — Anmeldungen für Wasserbezug. — 
Ausweis über die Umschreibung von Immobilien in Linz. — Inserate. 
Der Gesammtauflage unseres heutigen Blattes ist ein 
Prospect der Hannoverischen Centralheizungs- und Appa- 
rate-Bauanstalt, Wien VIII/1, Piaristengasse 38, und ein 
Circular der Maschinenfabriks-Firma Merlet & Possslt, 
Linz-Urfahr, beigelegt, welch beide Drucksorten wir der 
Durchsicht unserer geehrten Leser empfehlen. 
Ein As3rl für Obdachlose in Linz. 
Wenn es auch noch eine geraume Zeit dauern dürfte, 
bis unsere Gemeindeverwaltung an ^die Errichtung eines 
Asyls für Obdachlose schreiten kann, zu dem die hoch¬ 
herzige Spende des Herrn Bürgermeisters Poche den 
Impuls gegeben hat, so dürfte es doch allen Menschen¬ 
freunden von Interesse sein, schon jetzt zu vernehmen, 
wie solche Anstalten in vielen Städten des In- und Aus¬ 
landes eingerichtet sind und verwaltet werden, und waren 
wir bemüht, uns die nöthigen Daten dazu von competenter 
Stelle zu verschaffen. 
Da die deutsche Residenzstadt Berlin bekanntlich 
das zweckmässigst eingerichtete Asyl für Obdachlose be¬ 
sitzt, so wandten wir uns auf Empfehlung an das dortige 
Bürgermeisteramt, und erhielten über diese Freistätte 
folgende Beschreibung : 
Das Asyl für Obdachlose in Berlin zerfällt in ein 
Obdach für Familien, welche keine Wohnung haben, 
und in ein Asyl für nächtlich Obdachlose. 
a) Das Familien ob dach ist ein dreistöckiges 
massives Gebäude (Vordergebäude mit zwei Seitenflügeln). 
Im Erdgeschosse des Vordergebäudes befinden sich die 
Beamtenwohnungen und das Bureau, in dem ersten, 
zweiten und dritten Obergeschosse sind die Schlafsäle 
für die weiblichen Mitglieder der obdachlosen Familien 
untergebracht. Im rechten Seitenflügel liegen die Schlaf- 
und Aufenthaltsorte der männlichen Personen (mit Aus¬ 
nahme der Knaben unter sechs Jahren, welche bei ihren 
Müttern untergebracht sind), das Arztzimmer etc., im 
linken Seitenflügel die Aufenthaltssäle und der Speisesaal 
für die weiblichen Personen, ferner das Schulzimmer, der 
Speisesaal für die Kinder etc. 
Die Mahlzeit besteht morgens und abends in Suppe 
und Brod, mittags in Hülsenfrüchten ; für Kranke, sowie 
Mütter mit Säuglingen, wird eine besondere Kost nebst 
Milch, Fleisch, Bier, Semmeln, Butter, Kaffee etc. gewährt. 
Sämmtliche zur Aufnahme in das Asyl bestimmte Personen 
werden zuvor gebadet, ihre Kleider desinficiert. Hierauf 
folgt die Vorstellung vor dem Anstaltsarzte, der eventuelle 
Aufnahme in ein Krankenhaus anordnet. Die schul¬ 
pflichtigen Kinder haben an dem im Asyl unter Leitung 
eines städtischen Lehrers abgehaltenen Schulunterricht 
theilzunehmen, während die erwachsenen Personen sich 
nach Kräften an den Hausarbeiten betheiligen, beziehungs¬ 
weise nach Erledigung derselben sich in der Stadt um 
ein Unterkommen zu bemühen haben. 
Der Aufenthalt im Famiiienobdache soll in der Regel 
nicht länger als acht Tage dauern, so dass also die Auf¬ 
genommenen bei Vermeidung von Strafe wegen Unter- 
kommenlosigkeit verpflichtet sind, längstens nach dieser 
Zeit die Beschaffung einer Wohnung nachzuweisen. Die 
erste Monatsrate, sofern sie den Betrag von 15 Mark 
nicht übersteigt, wird von der Anstaltsinspection bewilligt, 
die Gewährung höherer Beträge, beziehungsweise die 
Auslösung zurückgehaltener Mobilien unterliegt der Ge¬ 
nehmigung der städtischen Armendirection. Die Beher¬ 
bergung und Verpflegung erfolgt vorbehaltlich des Er¬ 
satzes der Kosten durch den definitiv unterstützungs¬ 
pflichtigen Armenverband, beziehungsweise, falls der 
Unterstützte später in günstigere Verhältnisse kommen 
sollte, durch diesen selbst. 
b) Hinter dem Vordergebäude für obdachlose 
Familien liegt das Gebäude für nächtlich Ob¬ 
dachlose. Dasselbe ist in Barackenform errichtet und 
hat 20 Schlafsäle, deren jeder 60 bis 70 Personen fasst, 
und mit eben so vielen hölzernen Pritschen ausgestattet 
ist, desgleichen befindet sich an jedem Ende eines Saales 
eine Waschtoilette für drei Personen. Die Ventilation der 
Schlafsäle ist gut; die Heizung wird durch warme Luft 
bewirkt, und zwar zeigen auf dem Corridore angebrachte 
Thermometer den Stand der Temperatur an, welche sich, 
ebenfalls vom Corridore aus, je nach Bedajf erhöhen oder 
erniedrigen lässt. 
Jeder Obdachlose hat sich bei seinem Eintritte einem 
Bade zu unterziehen. Die Bade-Einrichtung ist derartig, 
dass 20 Personen zu gleicher Zeit baden können, und 
zwar sind sowohl Brause- als Wannenbäder vorhanden. 
Während die Personen sich im Bade befinden, erfolgt die 
Desinfection ihrer Kleider etc. in einem im Souterrain 
gelegenen Desinfectionsofen, welches durch Fahrstühle 
mit dem Baderaume in Verbindung steht. Es können in 
einem Zeiträume von 20 bis 25 Minuten die Effecten von 
20 Personen von Ungeziefer und krankheiterregenden 
Stoffen befreit und den Inhabern wieder übergeben werden.
	        
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