Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Nr. 9. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 67. 
technischer wie künstlerischer Hinsicht. Diese Umbildung 
vollzieht sich naturgemäß dort um so rascher und ein¬ 
greifender, wo lebhafter und unmittelbarer der Fortschritt 
der Cultur seine Wirkung äussert, sie wird sich jedoch 
stets an Vorhergegangenes und Vorhandenes anlehnen 
und demselben die Gesetze und Motive für eine relativ 
neue Gestaltung entnehmen. Je öfter namentlich der¬ 
artige Rückgriffe in die Vergangenheit stattfinden, je 
mehr die Forschung nach den uns ferner liegenden 
Kunstäusserungen intensiver werden und das von Zeit 
zu Zeit eintretende lebhaftere Kunstinteresse an Aus¬ 
dehnung gewinnt, umso geklärter wird das Verständnis 
für die Wahl und richtige Anwendung der Elemente, aus 
welchen die grössere Vollkommenheit eines Kunstwerkes 
hervorzugehen vermag. 
In solchem Sinne können etwa auch die gegen¬ 
wärtigen Versuche zurBinfuhrung einer neuen Geschmacks¬ 
richtung beurtheilt werden, soweit sie nicht in bizarre 
Verirrungen oder kindliche Thorheiten ausgeartet er¬ 
scheinen. So bilden die Verwendung gothischer Construc- 
tionen und Ziermotive, die Nachahmungen japanischer 
Formen, die Bevorzugung englischen Kunstgeschmacks 
des vorigen Jahrhunderts und der primitiven Gestaltung 
amerikanischer Erzeugnisse, sowie die mehr oder minder 
directe Benutzung natürlicher Pflanzen charakteristische 
Merkmale der im Kunsthandwerke sich zur Zeit geltend 
machenden Mode, aus welcher schwärmerische Anhänger 
bereits einen neuen „Stil" abzuleiten vermeinen. Dient 
also in der That die Formenbildung früherer Epochen 
nicht weniger wie diejenige fremder Völker unseren 
heutigen Kunstleistungen an Gebrauchsgegenständen mit 
der Absicht der Weiterentwickelung zur Anlehnung, so 
ist dabei doch zu berücksichtigen, ob es einer dringenden 
Notwendigkeit und einer wünschenswerten natioñalen 
Selbständigkeit entspricht, wenn wir unter Verleugnung 
der Grundlagen von in Deutschland bereits zur Ent- 
wickelung gekommenen Kunstrichtungen uns geflissent¬ 
lich als Nachahmer fremden Geschmacks geberden. 
Vor nicht langer Zeit erschallte wohl in einigen Zeit¬ 
schriften der gut gemeinte Rath nach einer „Volkskunst", 
allein derselbe ist leider wieder verhallt und scheint gegen¬ 
wärtig wohl nur wenig Aussicht auf Berücksichtigung 
und Erfüllung zu haben. Dennoch besitzen wir noch 
manche gesunde und entwicklungsfähige Ansätze zu einer 
solchen, wenn sie nur mit Verständnis aufgenommen und 
mit Rücksicht auf die zeitgemäßen Anforderungen gepflegt 
und ausgebildet werden. Abgesehen von einigen keines¬ 
wegs als abgeschlossen oder gar abgestorben zu be¬ 
trachtenden Stilepochen verdient diejenige Kunstäusserung, 
welche sich in der Landbevölkerung verschiedener 
deutscher Bezirke erhalten hat, und zum Theil noch 
geübt wird, um so dringender einer hervorragenden Be¬ 
achtung, weil, sie an manchen Stellen bereits in der Auf¬ 
lösung begriffen erscheint und dem gänzlichen Ver¬ 
schwinden entgegen geht. Diese „Bauernkunst" ist von 
jeher auf das Innigste mit den Sitten, Empfindungen und 
Bedürfnissen des Volkes verwachsen, sie entspricht dem 
conservative!! Sinne der Landbewohner und dient ihrer 
Lebensweise, ihren herkömmlichen Gebräuchen und ihren 
religiösen Begriffen. Wo das Selbstbewusstsein und der 
Stolz des angesessenen Bauern noch nicht durch die 
schädlichen Einflüsse moderner Cultur gebrochen wurden, 
wo ihm die fadenscheinige Pracht billiger Kunstwerke 
und einer gefälschten Vornehmheit unbekannt geblieben 
ist oder verachtenswert erscheint, hat er sich auch seine 
Kunst, von seinen Vorfahren gleich ihm geschätzt und 
geachtet, erhalten und freut sich ihrer als seinem Cha¬ 
rakter und Wesen entsprechend und demselben ent¬ 
sprungen. 
Mit der Eigenschaft der Bauernkunst, als eine wirk¬ 
liche Volkskunst zu gelten, verbinden sich die weiteren 
Vorzüge innerer Echtheit und Wahrheit der äusseren 
Darstellung, sowie der Ausdehnung auf das ganze Gebiet 
der häuslichen und öffentlichen Lebensweise. Die kräftige 
klare Bauart des Hauses athmet denselben Geist, wie die 
innere Einrichtung desselben, wie Kleidung und Schmuck, 
Geräthe und Geschirr. Wenn zwar derb und urwüchsig, 
so doch ausgezeichnet durch die Wahl wirkungsvoller 
Mittel, der Freude an Glanz und Farbe, äussert sich 
überall die angeborene Kunstliebe der ländlichen Be¬ 
völkerung, zu welcher auch die wichtigsten öffentlichen 
Gebäude des Dorfes — die Kirche und das Wirtshaus — 
naturgemäß verwandtschaftliche Beziehungen besitzen. 
(Schluss folgt.) 
Aus den Gremeinderaths-Sitzungen in Linz. 
In der am 19. April 1. J. stattgehabten Sitzung 
wurden folgende Bauangelegenheiten erledigt : 
Vicebürgermeister Dr. Lamp e 1 berichtet über die 
Note der k. k. Staathalterei betreffend die Verlegung des 
Pionnierübungsplatzes. Die Anträge des Referenten lauten: 
„Der Gemeinderath beharre bei dem im Jahre 1897 be¬ 
schlossenen Ankaufe einer Grundfläche von 941 Quadrat¬ 
meter aus der dem Wasserbauärare gehörigen Parcelle 
(auf der Strasserau) um den Preis von 40 kr. per Quadrat¬ 
meter, er beharre auch bei dem Beschlüsse, dem Militär¬ 
ärare für den zum Baue der Verbindungsbahn erforder¬ 
lichen Grund einen gleich grossen Grund aus dem ver¬ 
schütteten Donauarme zuzuweisen; die Stadtgemeinde 
sei bereit, dem Commando des Pionnier-Bataillons 800 fl. 
für Versetzung von Gebäuden, Bäumen und Zäunen aus¬ 
zubezahlen, unter der Bedingung, dass alle vorstehenden 
Punkte zusammenhängend behandelt und die Ansprüche 
der Stadtgemeinde erfüllt werden." 
Diese Anträge werden angenommen. 
Der nächste Gegenstand der Tagesordnung, Antrag 
wegen Bewilligung von Beiträgen zu den Tracierungs- 
kosten der projectierten Localbahn Linz—Eferding— 
Peuerbach, kann wegen Abwesenheit des Referenten 
nicht verhandelt werden. 
Ueber Antrag des Gemeinderathes Pupp wird die von 
Alois Bauer, Gastwirt in St. Florian, angesuchte Bewilli¬ 
gung zur Parcellierung eines Grundes in Lustenau ertheilt. 
Hinsichtlich der Einleitung der allgemeinen Wasser¬ 
leitung in die Jubiläumsschule beantragt Gemeinderath 
Berger: Der Genieinderath genehmige das Detailproject 
und den Kostenvoranschlag per 2234 fl. 90 kr. und 
beauftrage das Stadtbauamt, die betreffenden Linzer 
Gewerbetreibenden im Wege der Currende zur Offert- 
legung einzuladen. (Angenommen.) 
Gemeinderath Bauer erstattet den Collaudierungs- 
bericht über das Baronin Handel-Stiftungshaus und bean¬ 
tragt: Der Gemeinderath nehme den Bericht zur Kennt¬ 
nis und bestimme, dass die bedingte Haftzeit mit 1. August 
1898 zu beginnen hat. — Ueber Antrag desselben 
Referenten bewilligt der Gemeinderath die Erbauung 
eines neuen Material- und Werkzeugschuppens im 
städtischen Volksgarten um den Kostenbetrag von 733 fl. 
und sind die hiesigen Bauberechtigten im Wege der
	        
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