Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

IV. Jahrgang, Nr. 23. 
Linz, 1. December 1899. 
Oberösterreichische Banzeitnng 
Zeitschrift für Bauwesen. 
Redaction und Administration: LINZ, Mozartstrasse 28. — Herausgeber und Verleger: Eduard Kornhoffer. 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG : 
für die 
Provinz 
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I ganzjährig mit 
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fl. 
halbjährig ... „4 
vierteljährig . . „2 
Erscheint am 1. und 15. 
jedes Monat. 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober- 
österreichischen Bauzeitung", Linz, Mozartstrasse 28, ferner hei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reclamationen und Beschwerden direct an uns erbeten. 
Inhalt. Ueber Bauunglücksfälle. — Die' "von der hohen k. k. Statt- 
halterei genehmigten Satzungen des Vereines, der Baumeister in Ober¬ 
österreich. — Local-Baunotizen. — Briefkasten. — Offene Stelle. — Aus¬ 
schreibungen über den Ausweis von Immobilien in Linz. — Anmeldungen 
für Wasserbezug. — Inserate. 
Ueber Bauunglücksfälle. 
Ueber Bauunfälle, die bei .uns glücklicherweise zu den 
Seltenheiten gehören, bringt die „Kölnische Bauzeitung" 
folgenden beachtenswerten Artikel. Das Blatt schreibt: 
Während vor 40 Jahren in mancher grösseren Stadt 
ein einziger Stadtbaumeister, dem auch noch der ganze 
Strassenbau untergestellt war und dessen einzige Hilfs¬ 
kraft aus einem nicht technisch gebildeten Secretär be¬ 
stand, die Baupolizei ausübte, Bauunglücke zu den 
grössten Seltenheiten gehörten, vergeht heute trotz der 
peinlichst durchgeführten, durch statische Berechnungen 
belegten Baugesüche fast kein MonatV in dem, nicht das 
eine kleinere oder grössere Bauunglück von sich reden 
macht. Woher dieser scheinbare Widerspruch? 
In erster Linie machen wir die. moderne Construction, 
namentlich unserer Geschäftshäuser, biefiir verantworlich. 
Gleichzeitig mit der Steigerung des Bodenwertes macht 
sich das Bestreben einer immer intensiveren Ausnutzung 
der Grundstücke in der Höhe und Tiefe geltend, wozu 
noch bei den Geschäftshäusern sich die Gewinnung von 
möglichst grossen Schaufensterflächen hinzugesellt. Der 
moderne Laden bringt die Last der Obergeschosse auf 
möglichst schmale Pfeiler, und die moderne Eisen- 
construction ermöglicht es erst, diesem Streben in weit¬ 
gehendstem Maße nachzugeben. Rechnerisch stimmt das 
alles auf ein Haar: mit sieben- und noch mehrfacher 
Sicherheit ist alles graphisch und statisch berechnet. Wie 
kommt es nun, dass trotz aller Berechnung die gewählten 
Oonstructionen häufig dasjenige nicht leisten, was sie 
leisten sollen? Bei einer so intensiven Inanspruchnahme), 
wie sie beiEisenconstructionen vorkommt (1000 Kilogramm 
pro Quadratcentimeter Querschnitt), muss auch .die. Art ; 
der Ausführung die denkbar subtilste sein, und werden 
an die Gewissenhaftigkeit des ausführenden Maurers oder 
Arbeiters die grössten Anforderungen gestellt. Wie geht 
es aber in Wirklichkeit zu! Ohne die Tragfähigkeit des 
Baugrundes genau, zu untersuchen, wird ein'Fundament 
für diese stark belasteten Eisenconstructionen gemauert, 
so uneben, so rauh, so ungleich, dass von einer ordent¬ 
lichen Druck vertheil ung nicht die Rede sein kann. Der 
Verband ist ein mangelhafter, für das Fundament ja 
gerade gut genug, und der vielleicht zur Festigkeit nöthige 
Oementmörtel ist fachwidrig bereitet und hat vielleicht 
schon stunden-, wenn nicht halbe Tage lang gestanden, 
bevor er zur Verwendung kommt. Wie kann da von 
einem ordentlichen Abbinden die Rede sein, wenn selbst 
die Qualität des verwandten Cementes eine gute ist, was 
auch nicht immer der Fall zu sein pflegt. Das Nässen der 
Steine wird dem Himmel überlassen, und hält dieser dann 
wochenlang seine Schleusen geschlossen, so kann es vor¬ 
kommen, dass noch glühendheisse Steine in diesen Oement¬ 
mörtel gebettet werden, um ihm dann noch den letzten 
Rest seiner Bindekraft zu rauben. 
Dazu kommt dann noch die Geschwindigkeit, mit der 
derartige Bauten hochgebracht werden; in wenigen 
Wochen steht ein Bau vier Stock hoch mit zwei Kellern 
da. Und bevor von einem Abbinden des Mörtels noch die 
Rede sein kann, wird, um ein weiteres Abbinden zu ver¬ 
hindern, von beiden Seiten gleich der Putz aufgetragen, 
und das in einem Bau, der durch das Einklopfen der 
Betondecken bis in den Speicher hinein überhaupt noch 
nicht zur Ruhe gekommen ist! Fürwahr, ein Wunder, 
dass nicht noch mehr Unglücke vorkommen! In, der 
„guten alten Zeit"' war es Regel, jeden Bau im Rohbau 
überwintern zu lassen, und wer heute ein solides, gesundes 
Haus haben will, macht's wohl noch ebenso, natürlich 
wird er von seinen Nachbarn, die in einem halben Jahre 
ein Haus vom Fundament bis zum Schlüssel fertig stellen, 
als rückständig ausgelacht, und doch hat er häufig allen 
Grund, diese auszulachen. „Zeit ist Geld", ist die Devise 
der Neuzeit, ein überstürztes Bauen kostet aber meistens 
mehr Geld, als die paar Zinsen betragen, die beim lang¬ 
samen Arbeiten verloren gegangen sind. Faulende stockige 
Balken, feuchte moderige Räume, abgestorbene Tapeten 
sind . noch die geringsten Schäden, die in derartigen 
Häusern aufzutreten pflegen! Der geprüfte Meister der 
„alten Zeit" hätte aber auch Derartiges nicht mitgemacht! 
Er hat bei seiner Meisterprüfung feierlichst gelobt, die 
anerkannten Regeln der Baukunst überall zu befolgen. 
Wie anders -heute ! Jeder, der vielleicht seines Berufes . 
überdrüssig ist, wird zur Zeit dér goldenen Gewerbefreiheit 
entweder Wirt oder Bauunternehmer. Gierath derselbe 
zufällig noch an einen gewissenhaften, vorsichtigen „Polier", 
der im Interesse seiner eigenen Haut, allerdings ohne 
viele Kenntnisse, die Sache gewissenhaft anfasst, so geht 
die Sache vielleicht gut. Die schöne Gewerbefreiheit mag 
für manchen Beruf vielleicht ihr Gutes gehabt haben, für 
das Baufach ist und bleibt sie ein Unglück und wird, je 
gesteigerter die Anforderungen werden, es noch immer 
mehr Und. méhr. werden. Wehe dem Manne, der ohne 
Staatsexamen ärztliche Praxis treiben würde, und doch 
-steht bei ihm nur das- einzelne Leben auf dem Spiele,
	        
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