Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 13 1915 (Nr. 13 1915)

M. 13. 
Sonntag, 2. Mai 
1915. 
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Der deutsche Kaiser in Iekdnniforin. 
,0er russische General. 
Erzählung eines österreichischen Edelmannes in 
Galizien.) 
Unter diesem Titel finden wir in der Basler 
„Nationalzeitung" folgende interessante Schilde¬ 
rung: 
Die Fenster der Schenke hatten die Rufseu 
noch vor ihrem Rückzüge zerschlagen, der Wirt 
hatte deshalb an Stelle des Glases zerrissene 
braune Kotzen gehängt. Da saßen nun die paar 
Zeitungsleute in einer Ecke, guckten trübsinnig 
auf die qualmende Lampe, und rochen von dem 
fürchterlichen Fusel, der giftgrün aus der schmut¬ 
zigen Flasche quoll. -Es lag noch allerlei Kot auf 
ihr, denn der schlaue Schankwirt hatte sie mit 
seinem gesamten Alkoholvorrat im Gemüsegärtchen 
vergraben; nun hatte er den Schatz wieder 
herausgeholt. Es war doppelt gefälschter Brannt¬ 
wein: zuerst vom Fabrikanten, dann vom Wirt. 
Aber er machte warm und kratzte in der Kehle. 
(x x) Kairplurann v. Mittest des Inf.-Keg. Wr. 14 
(erlag seiner bei Wassilow ant 31. Angnst erlittenen schweren Berwnndnng im 
Feldspital Liski) mit seinen Zngskommandanten. 
Von links nach rechts: Kadett Müller lNoriker); Kadett Wehrnpfermig (Linz); 
Fähnrich Wlzek (Linz); Hanptmann Wittek; Reserve-Lentnant Fröhlich (x) 
(Mitglied der kath.-dentsch. Stndentenverbindnng „Leopoldina", t den Heldentod 
bei Grabina am 10. Dezember); Fähnrich Dr. Straßmayr (Lmz). 
Außer den Journalisten saß auf einem zerbrochenen Stuhle 
uoch ein anderer Gast da, den man sofort als polnischen 
Edelmann erkannte; ein älterer Kavalier mit scharf ge¬ 
schnittenem Gesichte, unruhigen Augen und verwirrten, 
schon ins Grane spielenden Haaren. Einsam trinkend, 
horchte er dem Gespräche der Kriegskorrespondenten zu, 
die natürlich von dem für diese Stadt und Landschaft 
eben beendigten russischen Einbruch sprachen. Plötzlich 
wendete er sich zn ihnen, mit Hast redend, wobei die 
Worte in seinem Munde kollerten, es war alles zugleich, 
ein hartes Deutsch, ein weiches Französisch und polnische 
Sätze. Am lebhaftesten erklärte seine Gebärdensprache, 
was er sagen wollte. Ich muß es in ein weniger zer¬ 
rissenes Deutsch übertragen. 
Er sagte: „Die Herren können nichts von den Russen 
wissen, verzeihen Sie! Da kommen Sie nun hieher, sehen 
die Häuser niedergebrannt, die Möbel zerschlagen, die 
Wohnungen geplündert —: aber das ist nichts! Sie 
hätten es mitmachen müssen! Die Soldaten — 0, über 
die russischen Soldaten will ich nichts sagen. Sie waren 
schrecklich, ja; aber sie sind nur das, wozu man sie 
befiehlt. Aber jener, der sie auf uns hetzte, der sollte 
siebenfachen Tod sterben, der General! Wir hatten Un¬ 
glück, müssen Sie wissen, es gibt russische Generale, die 
Menschen sind, besonders jene, die trinken. Aber unser 
General trank leider nicht... Sie können sich nicht vor¬ 
stellen, was das für ein Mann ist, immer lächelnd, 
liebenswürdig und dabei boshaft wie ein Teufel! Als 
er ankam, o, wie war er da lieblich! Strenge Vor¬ 
schriften für die Mannschaften, keine Plünderung, nichts. 
Wir waren gleich besorgt, das war ja unnatürlich. Die 
Soldaten gingen am ersten Tage, mürrisch und verdrossen 
herum, aber sie taten nichts. Abends schickte er sie aus 
und lud uns alle ein, die Edelleute, die reichen Kauf¬ 
leute, die Advokaten. Er gab ein Fest anläßlich der Er¬ 
oberung der Stadt und wir mußten kommen. Einige, 
die ihre Damen nicht allein zurücklassen wollten, nahmen 
sie mit zu dem Feste. Es war im Rathause. Ueber die 
Stiegen hatte er herrliche Teppiche gelegt; ich kannte 
sie zufällig, sie gehörten meinem Schwager, der sein 
Schloß bei Rawaruska hat. Zu essen gab es wie bei 
Gargantua, er wollte uns wohl zeigen, wie gut die 
Russen mit allem versehen seien, aber wir wußten wohl, 
daß die Soldaten hungerten und bettelten, wenn sie nicht 
rauben durften. Ja, das war ein Gelage, und Weine 
und Champagner, immer noch Champagner, es war nicht 
zu glauben. Doch der General nippte nur eben, und da 
wurde ich ängstlich. Dann hielt er eine Rede, na, was 
man da eben sagt, vom Zaren und seiner Gnade, und 
daß wir es nunmehr gut haben würden und alle slavische 
Brüder seien. Die Offiziere stießen an und lachten, und 
wir zwangen uns auch und zogen vergnügte Gesichter, 
aber es waren doch bloß Grimassen. Mein Sohn ist 
bei den Hadikhnsaren, Herren, Sie wissen. Der Ge¬ 
neral sprach immerzu, sagte den Damen Schönheiten, 
des plaisanteries, vous savez, com me un Parisien .. . 
Und er ließ uns gar nicht fortgehen, au solch einem 
Tage kann man schon übermütig sein, meinte er, und 
schwatzte und ließ uns trinken. Aber er sah uns alle 
genan und forschend au, das beobachtete ich wohl 
und war unruhig . .. Endlich, nach Mitternacht, 
kam feilt Adjutant und sagte ihm leise etwas, da 
lachte er plötzlich laut auf, grüßte uns alle noch 
höflich und ging ... Und dann brachen wir 
auf . . . Als wir aber aufs Land kamen, da 
sahen wir überall schwarzen Rauch und rote 
Flammen. Alles brannte, war angezündet worden 
von den Schurken .. Während wir bei ihm seine 
Gäste waren, wurden unsere Häuser und Schlösser 
überfallen. Die Ställe auch, mein ganzes Vieh 
haben sie anch verbrannt, eigentlich wollten die 
Kosaken es mitnehmen, sagte der Verwalter, aber 
dann waren sie zu faul und ließen es verbrennen. 
Ich habe die schönsten Kühe in Galizien, meine 
Herren. Nein, ich habe nicht — wie sagt man? 
Ich hatte, hattet 
Wie Menschen, wenn sie sterben müssen, so haben 
sie gestöhnt, sagte mir mein Verwalter und heulte. 
Wir versuchten zu löschen, aber das Wasser in den
	        
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