Volltext: Nr. 62 (62. 1920)

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Jüdisöhe Nachrichten 
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hinweg dokumentiere sich zu neuem Leben erwachende 
jüdische Zusammengehörigkeit. Stete seien die Wiener 
Turntage den Budapester zu besonderen Marksteinen im 
der Geschichte ihrer Turnbewegung gewesen, die nicht 
wenig dazu beigetragen haben, neue Kräfte und Energien 
der jüdischen Bewegung zuzuführen. 
Dem offiziellen Teil schloß sich ein ungemein ani¬ 
mierter an, bei welchem auch die Tanzlustigen auf ihre 
Rechnung kamen. 
Das Wiener Kreisturnfest hat die daran gestellten 
Erwartungen erfüllt, wenn nicht übertroffen. Es- war 
ein Tag, an dem sich sicherlich die jüdische Jugend viele 
neue Freunde erworben hat, die bisher achtlos der körper¬ 
lichen Renaissance des jüdischen Volkes gegenüber ge¬ 
standen sind. Und auch diese Werbearbeit der Tat ist 
nicht hoch genug einzuschätzen. 
Jüdische Kriegsgefangenenfürsorge* 
Unter dem Eindrucke der von der zionistischen Or¬ 
ganisation beschafften und verbreiteten Berichte über 
die Lage der Kriegsgefangenen in Sibirien und von dem 
Gedanken getragen, daß bei der gegenwärtigen Macht¬ 
losigkeit der Zentralstaaten nur freiwillige Organisatio¬ 
nen die Befreiung der Kriegsgefangenen erwirken kön¬ 
nen, hat das American Joint Distribution Committee die 
Initiative ergriffen, um endlich alle, von Wladiwostok 
aus erreichbaren jüdischen und nichtjüdischen Kriegs¬ 
gefangenen der Zentralstaaten heimzubringen. Folgende 
acht Organisationen haben sich zur Ausführung dieses 
Planes zusammongetan: American Joint Distribution 
Committee, American Relief for American War Pri¬ 
soners., American Friends' Service Commission, American 
Red Groß, Federal Council of Churches of Christ in ^ 
Amerika, National Lutheran1 Council and Y. M. C. A. 
Sie erhielten die Zusicherung der Unterstützung von der 
amerikanischen Regierung. Amerika stellt 5 seiner grö߬ 
ten Transportdampfer zur Verfügung, die ausreichen 
werden, um den Heimtransport der 15.000 in Betracht 
kommenden Kriegsgefangenen durchzuführen, 8 Mil¬ 
lionen Dollar sind hiefür erforderlich. Das. American 
Joint Distribution Committee und das Amerikanische 
Rote Kreuz haben je 25.000 Dollar aufgebracht. Die 
gleiche Summe hat das Ungarische Hilfskomitee Ameri¬ 
kas zugesagt. Eben erlassen die vereinigten acht Hilfs¬ 
organisationen einen Aufruf, der sich speziell an die V er¬ 
wandten der Kriegsgefangenen richtet und bezweckt, den 
auf 3 Millionen Dollar noch fehlenden Betrag aufzubrin¬ 
gen. Man ist allgemein der Ansicht, daß von den in 
Betracht kommenden Regierungen augenblicklich sehr 
wenig Zuschuß zu den Repatriierungskosten zu erwarten 
ist. Unter den 15.000 Gefangenen dürften sich 1200 
jüdische Kriegsgefangene befinden. In Betracht kommen 
alle jüdischen Kriegsgefangenen der ehemaligen öst.-ung. 
Monarchie mit Ausnahme der nach der Tschechoslowakei 
zuständigem), für die das tschechoslowakische Repatri¬ 
ierungskomitee für die jüdischen Gefangenen tschecho¬ 
slowakischer Staatsangehörigkeit sorgt. 
Aus dem jüdischen Leben. g □ 
l^nRnnrmrinnnnnnnnnnDaaDDaaacoaannaDaDnnac^i 
Palästina-Chronik. Weizmann, Sokolow, Mack und 
Nordau werden sich unmittelbar nach Unterzeichnung 
des türkischen Friedensvertrages nach Palästina begeben. 
— Die Siedlungen Gan Schmuel und Bath Schlcmo wur¬ 
den Mitte Mai von arabischen Banden überfallen. Es 
gelang, die Räuber zu vertreiben, ohne daß ein Unglück 
oder ein Sachschaden entstanden wäre. Dagegen wurde 
anfangs Juni der Kolonie Mescha der gesamte Vieh¬ 
bestand geraubt und wurden zwei Kolonisten getötet. — 
Herbert Samuel wurde zum Generalgouverneur für Palä¬ 
stina bestimmt, — Die Wahlen in die Delegierten Ver¬ 
sammlung gingen unter riesiger Beteiligung vor sich. 
Resultate sind noch keine bekannt. 
Der Kongreß der amerikanischen Juden hat sich in 
Permanenz erklärt und zu seinem Vorsitzenden Nathan 
Strauß gewählt. Er wird mit dem „Komitee der jüdischen 
Delegationen" in Paris zusammenarbeiten und zur Welt¬ 
hilf skonferenz seine Delegierten entsenden. 
Personalnachrichten. In Wien weilen gegenwärtig: 
Dr. Schmarjahn Lewin, Prof. Boris Schatz und der ame¬ 
rikanische Journalist Hermann Bernstein. — Der be¬ 
rühmte jüdische Bildhauer Henrik Glycenstein hat vorige 
Woche seinen 50. Geburtstag gefeiert. — Max Li eber¬ 
mann, einer der bekanntesten Maler der Gegenwart, 
wurde zum Präsidenten der Berliner Akademie der 
Künste gewählt. — Der bedeutende jüdische Schauspieler 
David Keßler ist in Neuyork gestorben. 
Ausstellung der Spenden für das jüdische National- 
museum in Jerusalem in Wien. Eine Ausstellung jüdi¬ 
scher Kunstgegenstände und Bilder, die für das National¬ 
museum in Jerusalem gespendet wurden, ist vom Ver¬ 
bände jüdischer Künstler, Schriftsteller und Forscher 
„Haruaeh" veranstaltet worden. 
Vom jüdischen Hochschulwesen. In Jerusalem 
sind jetzt neben der jüdischen auch philosophische und 
philologische Vorlesungen eröffnet worden. Es lesen 
unter anderen Dr. Klausner und Prof. Sloucz über all¬ 
gemeine Literatur und moderne Philosophie, Dr. Laie 
über die Geschichte der Orientvölker und Lipschütz über 
die religiöse mündliche Tradition. 
Lloyd George an die amerikanischen Zionisten. „Die 
Ratifizierung der Balfour-Deklaration durch den Ober¬ 
sten Rat und die Übertragung des Mandates über Palä¬ 
stina an Großbritannien bedeutet einen großen Triumph 
für den Fortschritt der jüdischen Sache. Ich zweifle nicht 
daran, daß die Juden der ganzen Welt mit Großbritannien 
zusammenarbeiten wrerden, um Palästina nicht nur zum 
glücklichen Heim für die Juden, sondern zum Lande der 
Freiheit und des Welthandels auch für alle anderen Ein¬ 
wohner zu machen. Lloyd George.*4 
Einberufung der jüdischen ^ elthilfskonferenz. Das 
Komitee der jüdischen Delegationen in Paris hat die Ein¬ 
berufung der jüdischen Welthilfskonferenz für den 
27. Juli nach Teplitz (Tschechoslowakei) beschlossen. 
Dieser Beschluß wurde nach einem Referat des soeben 
aus Amerika zurückgekehrten Delegierten Dr. Salkind 
gefaßt. 
Aus dem Lande der Horthy-Buben. In der Ange¬ 
legenheit des Oberrabbiners Low hat der Untersuchungs¬ 
richter die weitere Inhafthaltung des Angeklagten ^an¬ 
geordnet. Gegen diese Verfügung appellierte der Ver¬ 
teidiger des Oberrabbiners, wobei er um I reilassung des 
Angeklagten oder um Bewachung in seiner Wohnung 
ansuchte. Der Geriohtshoi hat dieses Ersuchen zurück¬ 
gewiesen. — Die grauenhafte Komödie der ungarischen 
„Justiz", die sich von dnem ELolossy Argumente holt, 
wird unentwegt fortgesetzt. Die Erklärung des holiän-
	        
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