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Ötstöln* Josef Klemens, Ditöttings Kunstgeschichte und Wall
führt. (Südostbagerische Heimatstudien Bd. 4, herausgeg. von
Josef Weber.) Watzling 1931, Verlag des „Jnn-Äsengaues". 48
66. u. 8 Bildtafeln, preis Ji 1.60.
Tille Heimatgeschichte hat neben ihrem zunächstliegenden Zweck,
eben Deutung der Einheit von Vergangenheit und Gegenwart auf
dem Boden und in der Kultur der Heimat zu sein noch einen
weiteren Zweck, Vorarbeit zu sein für die Geschichte der größeren
Kulturzusammenhängeb Heimatgeschichte bedarf ja auch der
Problematik der Gesamtgeschichte, um Überhaupt loszukommen von
dem Zufälligen und hineinzuragen in das Bedeutsamere, in das
Allgemeinere. Auch der freundwilligste Beurteiler der heimatge-
schichtlichen Forschung wird nicht sagen können, daß das gewiß
lobenswerte Streben, das sich auf diesem Gebiete allenthalben zeigt,
immer auch von diesen Einsichten beherrscht sei,- das ist bedauer
lich, weil so auch die Territorial- und Aeichsgeschichte nicht den
Gewinn aus dem Fleiß der einzelnen ziehen kann, den sie bei an
derer Methode gewinnen könnte. Umsomehr freut man sich, wenn
bei einer heimatgeschichtlichen Arbeit, wie der vorliegenden, die ein
gangs angedeuteten grundsätzlichen Einsichten in die Tat umgesetzt
erscheinen. Stadler hat, — darin sehen wir einen Vorzug seiner
Arbeit, — das Einzelne auf den Hintergrund des Allgemeinen ge
stellt. Damit ist auch gesagt, daß die Studie nicht nur dem Kunst
geschichtler, sondern auch dem Aechts- und Kulturhistoriker 2 etwas
zu sagen hat.
Ältöttings Geschichte bietet vor allem zwei Probleme, nämlich
die neuerdings auch von Heuwieser behandelte Frage des zeitlichen
Ansatzes des achteckigen Ostturmes der heutigen Wallfahrtskapelle
und dann die Frage nach der Entstehung der Wallfahrt. Was
das Oktogon der Marienkapelle anbetrifft, so scheint nunmehr —
Heuwieser und Stadler kommen hier zu ganz verwandten Ergeb
nissen — der Ansatz auf das 8. Jahrhundert alle Wahrscheinlichkeit
für sich zu haben. Oetting ist 748 als villa publica, d. h. also Salhof
auf herzoglichem Fiskalbesitz bezeugt. Man wird annehmen dürfen,
daß mit der Begründung eines Salhofs im allgemeinen auch
durch Errichtung einer Kapelle für die religiösen Bedürfnisse der
x ) Hans Fehrs Forderung: „Mehr Geistesgeschichte" gilt
nicht nur der Aechtsgeschichte, sondern aller historischen Forschung
und auch Karl Aoth endlicher, Ueber das Wesen des Geschicht
lichen, 1926, und Walter Schönfeld, Vom Problem der Aechts-
geschichte, Halle 1927, sollten nicht nur Lektüre für einzelne wenige
sein, philosophische Erwägungen dieser Art, wenn sie auch zunächst
vom historischen Spezialthema abzuführen scheinen, führen doch
zutiefst in den Geist der Geschichte hinein. Vgl. übrigens auch
Josef Weber, Ueber Aufgaben und Wege der Ortsgeschichts-
forschung. „Der Jnn-Jsengau", Blätter für Geschichte und Heimat
kunde, Heft 24 (1928).
2 ) Gerade unter diesem Gesichtspunkt wäre vielleicht einmal
eine nähere Untersuchung der großen am Fries des Außenumgangö
der Kapelle angebrachten Votivbilöer verdienstvoll.