Volltext: Der Spaßvogel 1929 (1929)

„Warum denn grad in'n See?“ 
„J waaß net ...s Wadel is allwei 
versunna g'wen ..., sie waar net die 
erst'.“ 
„Stad sein, red' net so dumm, gib 
liaba den Brief her!“ Samit riß der 
Bauer das Schreiben an sich, suchte lange 
nach der Hornbrille und putzte umständ— 
lich die verstaubten Gläser, ohne die be— 
bende Angst seines Weibes zu berücksich— 
tigen. Endlich begann die Vorlesung: 
„Liebbe Eltern!! 
Wenn ihr diesen Brief zu lesen grigt, 
no bin ich net mehr bei euch, sondern 
wo anderst.“ 
„Warand⸗Josef!“ schrie die Bäuerin, 
„im See!“ J — 
„Anhör'n!“ gebot der Mann; barsch 
fuhr er fort:.. 
„Ich war nie net glücklich daham, 
weil i net für die grobe Arbeit daugt hab.“ 
„Da hast es, da hast es, Muada, zwoa 
so fleißige Leut und lauter faule Kinda!“ 
„Verzähl' weiter!“ bat die Frau in 
Todesangst. 
„Selber han i net gwißt, was mir 
fehlt, aber der Kreuzhofer⸗Anderl hat 
mi aufgeklärt. Ich bin eine unverstän— 
dene Frauenseele, die wo zur Kunst ge— 
ört.“ J 
„Zu wos?“ fragte die Huberin, die 
n dem letzten Satze kein Wort begriffen 
atte. —* 
„Woaß i's ebba? Werd'n mir ja segen. 
Alsdann:“ 
„Nachet, liebbe Eltern, bin i mit dem 
Anderl oft in den Wald gangen, da 
hab'n mer g'jodelt und tanzt, und da 
hat er g'sagt: ‚Mir san zu etwas an— 
derem geboren, mir gengen in d' Stadt 
in ein Varietee, ein Engagemang — 
dös is soviel wia Dienst beim Tiatta — 
wird si schon finden. D' Stodtfrack san 
ganz versessen auf uns, wir wern no 
berühmt.“ 
Danerst han i nix davon wissen 
woll'n, aber der Anderl hat net locker 
lassen. No bin i heut Nacht mit dem 
Anderl bis zur nächsten Stazion gangen, 
wo wir die Billetter in die Stadt ge— 
söst habsn. Er hat sein' Fortgang z' Haus 
bermeld't. i mein, daß oͤs, liebbe Eliern, 
im Dorf iatzt sagen könnts, daß eure 
Dochter eine Künstlerin worn is. 
Seids net böß auf 
eure 
Vielgeliebbte Dochter Vroni!“ 
Lange blieb es stille in der Stube, nur 
die kleine Petroleumlampe surrte eine trau— 
rig⸗eintönige Melodie, zu der eine Fleisch— 
lliege den Baß brummte. 
Plötzlich sprang der Huber mit jugend— 
licher Leichtigkeit von seinem Sitze auf. 
„A dös, dös wer i ihr zoag'n, wer was 
z'schaffen hat. Morgen fahr' i in d' Stadt 
. gleich mit'n ersten Zug. Durch die 
Polizei laß i ss sucha, auf'n Schub laß i 's 
Dearndel zruckbringa.“ 
F „O, mei, dö Schand!“ jammerte die 
Frau. 
Diese Worte hatten getroffen, der Bauer 
überlegte. „Woaßt was, derweil muaßt 
nix net verzähl'n in der Nachbarschaft, 
halt die brav im Haus, mir wern ja 
schaug'n.“ 
Für die Bäuerin kamen drei bange 
Tage, während denen sie keinen Schritt 
oor die Tür setzte, um allen Fragereien 
sicher zu entgehen. Trotzdem schlichen sich 
ein paar Nachbarn heran, denen es auf— 
gefallen war, daß sich niemand auf dem 
huberischen Felde blicken ließ. 
„WMei, die Vroni is halt mit'n Vodan 
in d' Stadt g'fahr'n, weil s' gar a so 
8R hat“, lautete die verlegene Aus— 
unft. 
Dem Huber fiel es natürlich nicht ein, 
an sein Weib zu telegraphieren oder auch 
nur eine Zeile zu schreiben. Der Bäuerin 
kam kein Gedanke an eine solche Auf— 
merksamkeit, obwohl ihr die Stunden mit 
bleierner Langsamkeit dahinschlichen. End— 
lich ... am dritten Abende .. ertönte 
dor der Keusche der schwere, wohlbekannte 
Schritt ihres Mannes. Wit zitternden 
Beinen lief sie zur Türe. um den Riegel 
wegzuschieben. 
Der Bauer stapfte allein über die 
Schwelle, fiel auf die Bank, die vor dem 
Tische stand, und sagte kurz: „A G'selcht's 
könnt'st mer bringen und an guaten Trunk, 
i han Hunga und Durscht.“ 
Die Frau lehnte mit blassem Gesichte 
an der Wand. „MWarand⸗Josef, die Vronit 
Hast si ebba derschlag'n?“, 
„A na, es is all's guat worn. Bring 
mer 's Essen, nachet werd' i dir scho ver— 
zähl'n.“ Dabei lächelte er freundlicher als 
seit Jahren. 
Jetzt wußte die Huberin, daß nichts 
geschehen war. Sie eilte einigermaßen be— 
ruhigt in die Speise, brachte eine reiche 
Mahlzeit und sah geduldig zu, wie der 
Bauer mit seinem Veitel (Taschenmefser)
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.