Volltext: Der Naturarzt 1897 (1897)

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N atur-Tierheilkunde. 
Schutzimpfung. 
Von Caesar Bhan, Berlin-Friedenau, prakt. Vertreter der Natur-Tierheilkunde. 
Nirgends herrschen so verschiedene Ansichten als in den Kreisen, welche 
noch nicht in der Lage waren, sich über die Heilwirkung des Tuberkulin, des 
Heilserum, Parisan (neuestes Schutzmittel gegen Hotlauf!) und aller jener netten 
Verimpfungsmittel, welche nur dazu angethan sind den Erfindern und Fabri 
kanten die Taschen zu füllen, ein Urteil bilden können. 
"Wir halten naturgemäss viel Zeitungen, um stets in allen Fragen auf 
dem Laufenden zu sein, aber Konfusion überall, wohin man sieht. Neben 
grossen Enthusiasten für die Impfung, welche sich durch irgend welche schein 
baren Erfolge düpieren lassen, die aber nie in der Lage sind etwas Stich 
haltiges vorzubringen, finden wir Männer, welche in ernster würdiger Weise 
ihre warnende Stimme erheben. Diesen letzteren, wo und wer sie auch sind, 
können wir unsere Hochachtung und unsere Dankbarkeit nicht versagen. 
Der Mensch ist gar zu gern geneigt, sich in der Not an einen Stroh 
halm zu klammern, denn weiter ist diese ganze Scliutzimpferei nichts. Es ist 
ein Strohhalm, der mit jenen in die Tiefe sinkt, denen er ein Hetter sein soll, 
der nichts wie Unheil anrichtet, weil jene, die gar zu gern geneigt sind, sich 
daran zu klamipern, das Natürliche, das Nächstliegende, den Kern der Sache 
ganz übersehen. 
Unsere warnende Stimme kann natürlich nicht überall gehört werden, 
und der grossen Masse gegenüber ist das Häuflein unserer Anhänger noch 
klein, aber sie wachsen von Tag zu Tag und w r erden dann eine Macht bilden, 
die eintreten wird für eine natürliche Lebens- und Heilweise und die ein er 
bärmliches Kurpfuschertum an die Wand drücken wird. Wer sind nun Kur 
pfuscher, jene oder wir?! 
Besondere Veranlassung zu den gegenwärtigen Zeilen gab das uns im 
Druck vorliegende Protokoll des landwirtschaftlichen Vereins kleiner Landwirte 
in Mecklenburg-Schwerin. Auf der Tagesordnung der am 9. Mai abgehaltenen 
Sitzung des Centralausschusses genannten Vereins stand zu Punkt 6: Empfiehlt 
es sich, eine Verpflichtung zur Impfung des Bindviehes mit Tuberkulin anzu 
streben oder nicht? 
Zunächst verbreitete sich der Eeferent Herr D.-G. über die Sache. Ge 
nannter Herr berichtete, dass bei vorgenommener Schutzimpfung bei Jungvieh 
16—35% anscheinend tuberkulös gewesen seien, und dass von einer 
Heerde älterer Kühe 92 %! auf Tuberkulose reagiert hätten. Ein ganz un 
geheuerliches Hesultat, das, wenn es sich bewahrheiten sollte, geeignet wäre, 
die ganze Milch und Butter produzierende Industrie lahm zu legen. Zum Glück 
hat sich die ganze Schutzimpferei aber als sehr unzuverlässig erwiesen. So 
berichtet schon Herr v. M. in derselben Versammlung, dass drei Kühe, die bei 
ihm auf die Impfung reagiert hätten, nach der Schlachtung sich als völlig ge 
sund erwiesen hätten!!! Da uns viel ähnliche Berichte vorliegen, können wir 
nur konstatieren, dass dieser Punkt der Kochschen Erfindung ebenfalls glänzend 
Fiasko gemacht hat. 
Der Herr Eeferent kam am Schlüsse seiner Betrachtungen zu folgendem 
Hesultat: „Mittel, die Krankheit zu heilen, giebt es nicht (das stimmt), ja, es 
giebt auch keine Mittel, der Krankheit vorzubeugen (das stimmt nicht), es 
bleibt uns daher weiter nichts übrig, als uns vor der Ansteckung zu schützen 
suchen (das ist das Unglück bei der Sache). Das von Dr. Koch erfundene 
Tuberkulin sei ein Mittel, die kranken Tiere von den gesunden unterscheiden 
zu können (stimmt nicht, wie oben bewiesen). Es muss unsere Aufgabe sein, 
mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln darauf hinzuwirken, dass die 
Tuberkelimpfung allgemein werde, wenn sie auch Kosten und Mühe verursache.
	        
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