Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

— 387 
diktierte mir auch der Umstand, dass mir die Dame als sehr nervös und reiz 
bar bekannt war. 
Nachdem die mitgebrachte x Badewärterin ein 4 fach zusammengefaltetes 
in 16° K. Wasser getauchtes Leintuch um den Stamm der Kranken gelegt und 
den Hals mit einem Umschlag versah, liess ich die Extremitäten durch zwei 
Personen unausgesetzt solange mit erwärmten Tüchern frottieren, bis das 
mittlerweile heiss gewordene Wasser das Anlegen von Dampfflaschen erlaubte. 
Es dauerte eine volle Stunde, während welcher die Kumpfumschläge Vi stündlich, 
die Halsumschläge 10minütlich gewechselt wurden und die kalten Körperteile 
sicli erwärmten. Nun liess ich die Kranke, der mit Kücksicht auf die vor 
handene Herzschwäche 3 Löffel Wein gereicht, Gesicht, Kopf, Nacken und 
Brust mit dem zu den Kumpfpackungen temperierten 16° Wasser gewaschen 
wurde, in ein 20gradiges Halbbad bringen und während Zugiessens frischen 
Wassers und fortwährenden Uebergiessen des Kopfes und Körpers, durch 
8. Minuten von zwei Badedienerinnen reiben. Bei dieser Gelegenheit bemerkte 
ich auf deren Kücken enorme, Handteller grosse Blutstauungsflecken. Obwohl 
die Kranke kein Frösteln zeigte, getraute ich mich der Herzschwäche wegen 
dennoch nicht das erste Bad länger auszudehnen; sie wurde aus dem Bade ge 
hoben, getrocknet, wobei die Beine grössere Beachtung fanden, mit Hals- und 
Kumpfpackung versehen zu Bette gebracht, jedoch zur Verhütung grösserer 
Herzschwäche ihr 3 Löffel Wein gereicht. Nach Anlegen der notwendig ge 
wordenen Dampf kr uken nahm ich Temperatur - Messungen vor. Das Thermo 
meter wies 39,2°, Puls 128, Atemzüge 20. 
Nach einem zweistündigen Schlafe erwachte Patientin mit einer im Kectum 
gemessenen Temperatur von 39,9°, Puls 136, Atmung 21. Dasselbe Bad wurde 
unter Beobachtung der bereits erwähnten, der Herzschwäche dienenden Vor- 
sichtsmassregeln in der Dauer von fünf Minuten wiederholt. Es erfolgte Stuhl 
entleerung mit leichter Brechneigung, dann vierstündiger Schlaf. Die Körper 
wärme war auf 39,1° aber auch die Atemfrequenz um vier Züge gesunken, 
während die Pulsbewegung keine Alteration erlitt. Diese Zeichen vermehrter 
Herzschwäche beunruhigten und veranlassten mich, der labilen Fiebertemperatur 
gegenüber zu anderen Massnahmen zu greifen und in Verabreichung von Wein 
liberaler zu sein. Die Fieberhitze war wieder auf 39,9° gestiegen, die Anzeige zum 
Eingreifen gegeben; eine nasse 14° K. Abreibung erniedrigte die Hitze auf 39,5°, den 
Puls auf 128, die Atmung blieb davon unberührt; aber schon nach zwei Stunden 
die zu V 2 stündlichen Erneuern der Stamm- und Halsumschläge benützt wurden, 
stieg die Fieberhitze auf 40,3. Ein Halbbad von 18° K. 10 Minuten bannten 
diesen Gefässsturm; das Thermometer sank auf 39,5°, Puls auf 128. Din 
Atmung stieg auf 20; die Haut zeigte keine Veränderung; nach wie vor waren 
die Wärme und Blutstauungs-Erscheinungen bemerkbar. Es war Mittag vor 
über, als die eben geschilderte Prozedur beendet. Die Kranke, die zu allen 
Kurprozeduren genötigt werden musste, mit Kumpf- und Halsumschlag aber 
auch Wärmflasche versehen, zu Bette gebracht wurde. Drei Stunden darnach 
stand das im Mastdarm eingeführte Thermometer auf 40, Puls 138, Atmung 19; 
die sichtbar grössere Wärme-Kesistenz Hessen mich mutig abermals zum 18° K. 
Halbbad greifen, das ich dreimal 12 Minuten lang ausdehnte. Eine halbe 
Stunde darnach erniedrigte sich die Kectumwärme auf 39,2°, der Puls auf 128, 
Atemzüge 19; nach einer weiteren halben Stunde trat Brechreiz ein, dem nicht 
lange darauf ein im Brechreiz angekündigter Gemütsaffekt folgte. Die Kranke 
verfiel in Weinkrampf und bat ihren Gatten in einer Mitleid erregenden Weise, 
sie nicht so quälen zu lassen. Als sich dieser Gemütsaffekt gelegt, die Kranke 
etwas geruht, ging ich abermals — gezwungen durch die konstatierte Wärme 
steigerung — zur Offensive über. Bei einer Wärme von 39,2° brachte ich die 
Kranke trotz ihres auch jetzt, wie immer erhobenen Wiederspruches, ins 18° K. 
Halbbad, das während einer 7minutigen Dauer, tüchtigen Frottieren und Ueber 
giessen, auf 17° K. herabgesetzt wurde. Wenn auch die beschriebenen Er 
scheinungen der Blut-Stauung in ganzer Ausdehnung noch bemerkbar waren, 
konnte ich doch eine merkliche Aenderung beobachten und so griff ich nach
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.