Volltext: Der Naturarzt 1896 (1896)

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solche Gifte hat die Natur das bekannte und probate Mittel einer 
Umkehrung der Peristaltik des vorderen und einer Beschleunigung 
der Peristaltik des hinteren Darmabschnittes bereit. In den aller 
meisten Fällen werden durch diese einfachen Mittel die Gifte aus dem 
Darmtrakt entfernt, ehe die Darmwände Zeit haben, grössere, das 
Leben gefährdende Mengen von ihnen zu absorbieren. Auch hier ist 
also das Symptom, Erbrechen, Diarrhoe, zugleich Naturheilmittel. 
Eine Bekämpfung derselben durch Peristaltik-lähmende Medikamente 
muss daher als ein die Krankheit und nicht die Genesung fördern 
der Eingriff angesehen werden. Wenn man schon etwas giebt, so 
sollte man eher die Peristaltik erhöhen, aber es ist nicht not: die 
Natur weiss selbst am besten, wie gross die Gefahr ist, und sie 
richtet die Intensität des Heilverfahrens danach ein. Wir dürfen 
nämlich nie vergessen, dass das sympatische Nervensystem durch die 
Zuchtwahl zu einem ausgezeichneten Arzte und Physiologen gebildet 
wurde, der ganz genau und viel besser wie irgend ein Mensch weiss, 
was und wie viel in solchen Fällen zu thun ist. 
Aus den in obigem angeführten einfachen Beispielen ersehen 
wir, dass sich die Natur in allen gewöhnlicher vorkommenden Krank 
heitsfällen selbst heilen kann und es versteht mit grosser Präzision, 
die notwendigen Mittel anzuwenden. 
Diesen ebenso fein angepassten wie zweckentsprechenden und 
in den allermeisten Fällen erfolgreichen Natur- Selbst-Heilmitteln 
gegenüber erscheinen die künstlichen Heilmethoden der Mediziner als 
äusserst rohe und plumpe, zumeist ganz unnütze Eingriffe in die 
natürlichen Heilprozesse, welche gewiss weit öfter Schaden als Nutzen 
bringen. Immerhin könnte man ab und zu die Anwendung künst 
licher Heilmittel gutheissen (?), doch immer nur dann, wenn sie das 
Natur-Selbst-Heilmittel, das Krankheits-Symptom fördern, rascher 
und besser zur Ausbildung bringen; nie aber, wenn sie dasselbe 
hemmen. 
Der Kardinalfehler der Medizin ist eben die, aus Unkenntnis 
entspringende Verwechselung der Krankheit, welche bekämpft werden 
soll, mit dem Krankheits-Symptom. 
Es soll hiermit natürlich nicht geleugnet werden, dass der Arzt 
zuweilen durch künstliche Eingriffe, welche das Symptom, das Natur 
heilmittel fördern, beziehungsweise äussere Schädlichkeiten abhalten, 
nützen kann. Durch Zusammennähen der Ränder eines Schnittes in 
der Haut kann er ersteres; durch Abhaltung schädlicher Bakterien 
mittelst Jodoformgaze kann er letzteres thun. Mit dem grössten 
Nutzen kann er einen Knochenbruch oder eine Verrenkung einrichten 
und dadurch, sowie durch Anlegen eines Verbandes, das Natur 
heilverfahren kräftig unterstützen. 
Wenn er nun aber, diesen chirurgischen Boden verlassend, sich 
der Behandlung interner Krankheiten zuwendet, so wird er viel öfter 
Schaden an richten als von Nutzen sein, weil seine Kenntnis von den, 
bei solchen in Anwendung kommenden Natur - Selbst - Heilprozessen 
eine viel zu geringe ist, als dass er sie mit Sicherheit fordern könnte; 
und weil jeder Eingriff, welcher dieselben — das Symptom — nicht 
fördert oder gar hemmt, nutzlos, beziehungsweise schädlich ist.
	        
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