Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

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das warme Getränk entsetzlich gequält wurden, Widerwillen gegen dasselbe 
empfanden und ihr Appetit vollends ruiniert wurde. Nur bei Nervenleiden 
verordneten sie den Gerstenschleim noch; denn es galt als feststehend, dass 
die Gerste die Nerven, die Milch die Knochen und das Wasser das Fleisch 
am meisten ernährt. 
Nach dem Urteil des Asklepiades und seiner Nachfolger ist das beste 
Getränk allen Krankheiten das reine Wasser, und namentlich das frische 
kalte Wasser, vor dem man sich so lange Zeit gefürchtet hatte. 
Auf eine gute Beschaffenheit des Wassers ist dabei das allergrösete 
Gewicht zu legen. Das Cisternenwasser, das schmutzigste von allen, ist ganz 
unbrauchbar und erzeugt Verhärtungen im Leib und Magen. Infolge des 
Genusses sehr harten Wassers tritt öfters Unfruchtbarkeit auf und die Milch 
der Wöchnerinnen versiecht. Auch auf die Epilepsie hat das harte Wasser 
einen schädlichen Einfluss. Fehlerhaft ist jedes Wasser, welches riecht oder 
einen Geschmack hat; selbst süss wie Kuhmilch darf es nicht schmecken. 
Gesundes Wasser muss die Eigenschaften der Luft haben. Zu verwerfen 
ist auch das stillstehende und langsam fliessende Wasser. Am besten ist 
das Wasser aus hohen Gegenden und erdigen Hügeln, wenn deren Quellen 
gegen Sonnenaufgang entspringen. Man muss aber stets bestrebt sein, ein 
möglichst weiches Wasser zu bekommen; man erkennt dasselbe daran, dass 
es leichter ist, schneller heiss wird und schneller sich abkühlt und dass 
man Hülsenffüchte rasch darin weich kochen kann. Das weiche Wasser 
löscht von allen Getränken am besten den Durst; es hält den Leib offen 
und geht besser in die Säfte über und dient besser zum Körperaufbau als 
ein hartes Wasser. 
Schlechtes Wasser, ebenso hartes Wasser kann man durch Kochen 
verbessern; man muss aber dasselbe wenigstens bis zur Hälfte einkochen 
lassen. Bei Epilepsie ist nur solches gekochtes Wasser zu gemessen. Auf 
Seefahrten kann man sich oft süsses Wasser nur dadurch verschaffen, dass 
man Felle während der Nacht aussen am Schiff ausspannt und den ange 
setzten Tau sammelt, oder indem man hohle Wachskugeln oder leere ge 
schlossene irdene Gefässe in das Meer hinablässt. Als weichstes Wasser ist 
frisches reines Regenwasser und frisch gefallener Tau sehr zu schätzen. 
Bei manchen Leiden ist es gut, wenn die Patienten in der Frühe den Tau 
von den Blättern trinken, wobei auch das Frühaufstehen und die Bewegung 
in der kühlen Luft von Nutzen ist. 
Am besten nimmt man das kalte Wasser in kleinen Schlucken zu sich 
oder saugt es mittelst eines Strohhalms oder anderen Röhrchens auf, auf 
welche Weise man mit erheblichem Nutzen selbst grosse Mengen in sich 
einführen kann. Nur dann vermeide man das kalte Wasser, wenn man noch 
schwitzt oder eben aus dem Dampfbad kommt; und ferner gebe man es nie 
bei kalten Füssen. Dieselben müssen stets erst durch Massage, Frottierung, 
Wärmflaschen, Einwickelungen so warm wie der übrige Körper gemacht 
werden. Aber dann ist das kalte Wasser das beste Getränk bei jedem 
Leiden und bei jedem Fieber. — Während das eiskalte Wasser oft von sein 
guter WTrkung ist, so gilt dies keineswegs von Hagelwasser, Schneewasser, 
Eiswasser, vom Schnee und Eis. Namentlich für Brustleiden zeigt sich der 
Genuss von Schnee und Eis sehr schädlich; er erregt Husten, veranlasst 
Katarrhe und Blutspucken. Sehr gut zu verwerten ist aber der Schnee 
den man nebenbei bemerkt in ungewalkte Tücher eingewickelt in Spreu auf 
hebt, zur Herstellung von eiskaltem Getränk, indem man das Trinkgefäss 
mit Schnee umgiebt, eine Erfindung des Kaisers Nero, wodurch man die 
Annehmlichkeit des Schneees ohne seine Nachteile hat. 
So gut wie das Wasser in allen Krankheiten und gesunden Tagen ist, 
so schädlich sind die geistigen Getränke wie der Wein, der’Höhigweih, 
die Obst- und Kunstweine. Und trotzdem giebt man - Sich gerade mit dem 
Wein die grösste Mühe, als ob uns nicht die Natur die heilsamste Flüssig
	        
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