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das warme Getränk entsetzlich gequält wurden, Widerwillen gegen dasselbe
empfanden und ihr Appetit vollends ruiniert wurde. Nur bei Nervenleiden
verordneten sie den Gerstenschleim noch; denn es galt als feststehend, dass
die Gerste die Nerven, die Milch die Knochen und das Wasser das Fleisch
am meisten ernährt.
Nach dem Urteil des Asklepiades und seiner Nachfolger ist das beste
Getränk allen Krankheiten das reine Wasser, und namentlich das frische
kalte Wasser, vor dem man sich so lange Zeit gefürchtet hatte.
Auf eine gute Beschaffenheit des Wassers ist dabei das allergrösete
Gewicht zu legen. Das Cisternenwasser, das schmutzigste von allen, ist ganz
unbrauchbar und erzeugt Verhärtungen im Leib und Magen. Infolge des
Genusses sehr harten Wassers tritt öfters Unfruchtbarkeit auf und die Milch
der Wöchnerinnen versiecht. Auch auf die Epilepsie hat das harte Wasser
einen schädlichen Einfluss. Fehlerhaft ist jedes Wasser, welches riecht oder
einen Geschmack hat; selbst süss wie Kuhmilch darf es nicht schmecken.
Gesundes Wasser muss die Eigenschaften der Luft haben. Zu verwerfen
ist auch das stillstehende und langsam fliessende Wasser. Am besten ist
das Wasser aus hohen Gegenden und erdigen Hügeln, wenn deren Quellen
gegen Sonnenaufgang entspringen. Man muss aber stets bestrebt sein, ein
möglichst weiches Wasser zu bekommen; man erkennt dasselbe daran, dass
es leichter ist, schneller heiss wird und schneller sich abkühlt und dass
man Hülsenffüchte rasch darin weich kochen kann. Das weiche Wasser
löscht von allen Getränken am besten den Durst; es hält den Leib offen
und geht besser in die Säfte über und dient besser zum Körperaufbau als
ein hartes Wasser.
Schlechtes Wasser, ebenso hartes Wasser kann man durch Kochen
verbessern; man muss aber dasselbe wenigstens bis zur Hälfte einkochen
lassen. Bei Epilepsie ist nur solches gekochtes Wasser zu gemessen. Auf
Seefahrten kann man sich oft süsses Wasser nur dadurch verschaffen, dass
man Felle während der Nacht aussen am Schiff ausspannt und den ange
setzten Tau sammelt, oder indem man hohle Wachskugeln oder leere ge
schlossene irdene Gefässe in das Meer hinablässt. Als weichstes Wasser ist
frisches reines Regenwasser und frisch gefallener Tau sehr zu schätzen.
Bei manchen Leiden ist es gut, wenn die Patienten in der Frühe den Tau
von den Blättern trinken, wobei auch das Frühaufstehen und die Bewegung
in der kühlen Luft von Nutzen ist.
Am besten nimmt man das kalte Wasser in kleinen Schlucken zu sich
oder saugt es mittelst eines Strohhalms oder anderen Röhrchens auf, auf
welche Weise man mit erheblichem Nutzen selbst grosse Mengen in sich
einführen kann. Nur dann vermeide man das kalte Wasser, wenn man noch
schwitzt oder eben aus dem Dampfbad kommt; und ferner gebe man es nie
bei kalten Füssen. Dieselben müssen stets erst durch Massage, Frottierung,
Wärmflaschen, Einwickelungen so warm wie der übrige Körper gemacht
werden. Aber dann ist das kalte Wasser das beste Getränk bei jedem
Leiden und bei jedem Fieber. — Während das eiskalte Wasser oft von sein
guter WTrkung ist, so gilt dies keineswegs von Hagelwasser, Schneewasser,
Eiswasser, vom Schnee und Eis. Namentlich für Brustleiden zeigt sich der
Genuss von Schnee und Eis sehr schädlich; er erregt Husten, veranlasst
Katarrhe und Blutspucken. Sehr gut zu verwerten ist aber der Schnee
den man nebenbei bemerkt in ungewalkte Tücher eingewickelt in Spreu auf
hebt, zur Herstellung von eiskaltem Getränk, indem man das Trinkgefäss
mit Schnee umgiebt, eine Erfindung des Kaisers Nero, wodurch man die
Annehmlichkeit des Schneees ohne seine Nachteile hat.
So gut wie das Wasser in allen Krankheiten und gesunden Tagen ist,
so schädlich sind die geistigen Getränke wie der Wein, der’Höhigweih,
die Obst- und Kunstweine. Und trotzdem giebt man - Sich gerade mit dem
Wein die grösste Mühe, als ob uns nicht die Natur die heilsamste Flüssig