Volltext: Der Naturarzt 1894. (1894)

247 
keit, das Wasser, dessen sich auch alle Tiere bedienen, zum Trank ge 
geben hätte. 
Läuft auch einmal das Weintrinken aufs Beste ab, so sehen die 
Betreffenden am andern Morgen doch die Sonne nicht aufgehen und leben 
weniger lange; sie haben bleiche Wangen, Augenleiden, zitternde Hände und 
sogleich nach dem Genuss als Strafe höllische Träume, nächtliche Unruhe 
und endlich als letzter Lohn der Völlerei eine ungeheure Leidenschaft und 
Wohlgefallen an dem Laster. Am folgenden Tag riecht der Mund wie ein 
Weinkrug und das Gedächtnis wird schwach. Auch der kommende Tag ist 
für sie verloren. Hätte Odysseus aus dem Becher der Circe gierig und als 
ein Narr wie seine Gefährten getrunken, so wäre es um seine Vernunft ge 
schehen, und er hätte gelebt, wie ein unflätiger Hund oder wie ein in 
den Kot verliebtes Schwein. —Nicht einmal ihren Durst können die Wein 
trinker löschen, ja sie dürsten um so mehr, je mehr sie trinken. Dem 
Wein verdanken wir es, dass wir allein von allen Tieren ohne Durst Ge 
tränk zu uns nehmen. — Es giebt unzählige Leiden, welche der Wein 
genuss verursacht, wie z. B. Gicht, Leberleiden, Geisteskrankheiten, Epi 
lepsie, Herzschwäche, Wassersucht, Alpdrücken etc. Daher ist es auch nicht 
zu Verwundern, dass der Wein direkt schädlich bei so vielen Krankheiten 
wirkt. Es steht über allen Zweifel erhaben fest, dass er durchaus nachteilig 
und durchaus zu vermeiden ist bei Eieber, ehe der Nachlass eingetreten, 
bei Kopfschmerzen, bei Schüttelfrost, Zittern der Hände, beim Husten, bei 
Halsschmerzen, Atembeschwerden, Asthma und Herzschwäche; am schäd 
lichsten ist er aber bei starren Augen, nicht ganz geschlossenen Lidern, 
Gehirnentzündung, Krämpfen, Harnbeschwerden und Augenleiden. Bei 
Schwindsucht enthalte man sich lange des Weins, bei Hysterie und Podagra 
wenigstens ein Jahr lang. — Es giebt viele, welche auf den Wein am er 
pichtesten sind, wenn ihnen das Wassertrinken am nötigsten ist. Sie glauben, 
dass sie nach ausgestandener Sonnenhitze und Kälte, nach starkem Keden, 
nach scharfem Nachdenken, überhaupt nach Ermüdung und Anstrengung 
Wein trinken müssten. Dieser aber vermehrt, vermöge seiner Hitze, die 
Unruhe des Körpers, er greift die schlaffen Teile noch mehr an, die doch 
eher einer Linderung und Beruhigung bedürfen. Diese verschafft aber das 
Wasser am allerbesten. 
Welche Nahrungsmittel am besten für uns sind, ist oben mitgeteilt. Aber 
nicht gleichgültig ist es, wie zubereitet wir unsere Speisen gemessen, wie 
viel und wann wir essen und trinken. 
Alles Frische hat die meiste Kraft und den grössten Nährwert, da 
es noch näher am Leben steht. Hingegen solche Dinge, welche verdorben 
sind, sucht der Körper möglichst bald mit Hülfe von Durchfall wieder aus 
zuscheiden. Am besten sind daher solche Speisen, die keiner Zubereitung 
bedürfen und nicht leicht verderben, wie die Baumfrüchte. Mit Nutzen 
kann man sich aber zur Bereitung von mannigfaltigen Speisen auch des 
Feuers bedienen, doch darf man niemals die Speisen in warmem Zustand 
gemessen, sondern muss sie zuvor vollständig erkalten lassen. Der Genuss 
von warmen Gerichten, Suppen und Getränken ist schädlich und ver 
dirbt den Magen und den Appetit stets auf längere Zeit. Kein Geschöpf 
auf der Erde liebt warme Speisen, und hieraus schon ergiebt sich ihre 
Unnatur. 
Ebenso naturwidrig ist aber auch das Hinzuthun von Gewürzen an 
die Gerichte und die Vermengung ganz verschiedener, namentlich ganz ver 
schieden schmeckender Speisen untereinander. Auch die Tiere der Wildnis 
gemessen eine ganz einförmige und einfache Nahrung und sind deshalb gesunder 
wie die Menschen; diejenigen Tiere hingegen, welche in Ställen kunstvoll zuge 
richtetes ^Futter bekommen, sind wie die Menschen oft krank und leiden an 
den Folgen der schlechten Verdauung. Die Künsteleien der Köche und 
Konditoren aber, diese „arglistigen“ Gerichte und Pasteten, wie sie ein be
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.