Volltext: Der Naturarzt 1892 (1892)

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Gehirn. Ich verordnete sofort eine 3 / 4 -Einpackung, und weil die unteren Gliedmassen 
kühl waren, eine Dampfflasche an die Füsse. Diese Packungen wurden wiederholt ge 
wechselt, bis die betreffenden Glieder in Schweiss gerieten ; dies geschah anfänglich alle zwei 
Stunden. Ausserdem wurde täglich noch eine Ganz-Einpackung gemacht, in welcher der 
Kranke einschlief, während er sonst überhaupt nicht schlafen konnte. 
Ich habe stets wahrgenommen, dass die Packungen beruhigend wirken und ver 
ordne dieselben auch häufig gegen alle Formen von Delirien und Schlaflosigkeit, besonders 
aber auch gegen Krämpfe der Kinder, welche Krankheit besonders in der Zahnperiode 
dui ^ Blutüberfüllung des Gehirns entsteht. Nachdem ich bei dem erwähnten Kranken 
die Einpackungen, unterstützt mit temperierten Aufschlägen um den Kopf, Sitzbädern und 
Klystieren forgesetzt hatte, wurde das vorher stark gerötete Gesicht ziemlich blass. 
Das Fieber verschwand mit jedem Tage immer mehr, und der schwer darnieder liegende 
Kranke wurde zur grossen Freude seiner Frau und Freunde bald soweit wieder herge 
stellt, dass er nach Verlauf von zehn Tagen als gesund zu betrachten war. 
Aus den Naturheilanstalten. 
Kurbericht der Frankfurter Naturheilanstalt von Dr. med. Richard Schreiber, 
Frankfurt a/M. 
Fräulein R. aus H. in Hessen litt seit etwa 8 Jahren an chronischem Rachen- 
und Kehlkopfskatarrh, ferner an chronischer Entzündung der rechten mittleren Nasen 
muschel. Neben unangenehmen Erscheinungen, wie Kratzen im Hals und hochgradiger 
Heiserkeit, sonderte die Nase einen scharfen Schleim ab. Gleichzeitig bestand aber auch 
eine starke Rötung der äusseren Haut, der Nase und des Gesichts, welche unter dem 
Einfluss des scharfen Nasenschleims erheblich zunahm und das ganze Gesicht hochgradig 
entstellte. 
Fräulein R. trat Oktober 1891 in die Frankfurter Naturheilanstalt ein, nachdem 
sie vergebens Jahre lang die verschiedensten inneren und äusseren medizinischen Mittel 
gebraucht hatte. Es wurden abwechselnd Kastendampfbäder, Ganzpackung, ferner Inha 
lationen und Kopfdämpfe, sowie eine reizlose, wenn auch nicht ausschliesslich vegetarische, 
Kost angewendet. Fräulein R. wurde nach fünfwöchentlichem Aufenthalt in der Anstalt 
wesentlich gebessert entlassen, mit der Anweisung, verschiedene Kurmassregeln zu Haus 
weiter fortzusetzen. Gegenwärtig sind sämtliche katarrhalische Erscheinungen vollständig 
beseitigt und ist auch kaum eine Spur des langjährigen entstellenden Gesichtsausschlags 
zu erkennen. 
Fall von Rückenmarksleiden und Morphium sucht. Fräulein M. litt seit etwa 10 
Jahren an einem progressiv forschreitenden Rückenmarksleiden. Die Beweglichkeit war 
in einer Weise gehemmt, dass Fräulein M. nur mittelst eines Stockes §ich aufrecht ei> 
halten konnte und nicht im stände war, ihrem Ladengeschäft nachzugehen. Die ver 
schiedensten medizinischen Mittel, Arzneien und Elektricität waren vergebens angewandt 
worden. Die starken neuralgischen Schmerzen der Hüfte waren die Veranlassung, dass 
Fräulein M. Morphiumeinspritzungen bekam und sich an diese so gewöhnte, dass sich 
eine starke Morphiumsucht entwickelte. 
Fräulein M. wurde im Juni in die Anstalt aufgenommen. Ich selbst machte nur 
sehr bescheidene Versprechungen. Es wurden Kastendampfbäder, Rumpfbäder und Ab 
reibungen angewandt, sowie auch milde und reizlose Kost gegeben. Fräulein M. wurde 
nach 6 Wochen gebessert entlassen und besuchte die Anstalt, um Kastenbäder zu nehmen, 
noch 2mal wöchentlich und brauchte ausserdem zu Haus noch Abreibungen. Fräulein 
M. ist jetzt im stände, ohne Stock zu gehen, kommt zum allgemeinen Staunen ihrer 
Kundschaft dem Geschäft vollständig nach und hat sich das Morphium völlig abgewöhnt. 
Die Naturheilkunde in Oesterreich. 
Im Mutterlande der Wasserheilkunde steht es um die Sache sernsx nocfi. sehr 
traurig. Die Staatsmediziner haben allein nur das Recht, mit den Leibern der Menschen 
zu machen, was ihnen gut dünkt. In dem weiten Reiche, wo die Religion Jesu Staats 
religion ist, darf sein Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ nicht im Leben bethätigt 
werden. Bei Strafe nicht. Unserer wackerer Mitkämpfer, Herr Oberlehrer Schmidtbauer 
in Schwanenstadt in Oberösterreich, dessen vortreffliche „Zeitschrift“ wir unseren Lesern 
schon öfter dringend an’s Herz gelegt haben, hat eben einen grossen Prozess zu bestehen 
gehabt. Schmidtbauer hatte mehrere medizinizch verkurierte schwere Augenleidende ohne 
jede Entschädigung (er gab ihnen sogar noch das nötige Leinenzeug!) mit Naturheilkunde 
glänzend geheilt und gebessert. Er wurde denunziert und musste endlich 15 Gulden 
Strafe zahlen weil er es, wie medizinisch geboten, unterlassen — Atropin-Einspritzungen
	        
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